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Serie:
"Bühlertäler
des Monats"
November 2009
Beim Bühlertäler des Monats
November gibt es zwei Besonderheiten. Zum einen ist er mit 93 Jahren unser
bisher ältester Kandidat und zum anderen ist er der erste Bühlertäler
des Monats, dessen Wiege nicht in Bühlertal, sondern im fernen Magdeburg
stand. Doch nach fast 70 Jahren, die er nun in Bühlertal lebt, ist
er im Herzen ein echter Bühlertäler geworden, der sich hier sehr
wohl und daheim fühlt, wie er sagt. Es ist kein anderer als Rolf Schulz,
der sicher vielen Mitbürgern durch seine Fahrschule und als Fahrlehrer
bekannt ist.
Nun, bei so einem ereignisreichen, interessanten
und langen Lebensweg gibt es in der Tat vieles zu erzählen und Rolf
Schulz will uns nun ein Stück mitnehmen und von „seiner Zeit“
berichten. Einer Zeit, die zu Anfang geprägt war durch die beiden
Weltkriege und später im Zeichen des Wiederaufbaus und des Wirtschaftwunders
stand. Sie reicht bis heute ins 21. Jahrhundert, einer modernen und dennoch
durch Krisen geschüttelten Zeit, aber auch der Zeit des Fortschritts
und der faszinierenden Welt der Computer.
1916 - Rolf im Kissen - seine Mutter Ella und seine Schwestern
Rolf Schulz kam im Juli 1916 in Magdeburg
als drittes Kind seiner Mutter Ella und seines Vaters Adolf zur Welt. Die
beiden Schwestern Waltraud (geb.1912) und Leonie ( geb.1914)
freuten sich über den kleinen Bruder Rolf und die Familie Schulz hatte
nun einen Stammhalter.
Rolf Schulz als Einjähriger im Fotoatelier in Magdeburg
Nur kurze Zeit währte das Glück der jungen Familie, denn als Rolf Schulz drei Jahre alt war, verstarb seine Mutter Ella 1919 durch die Folgen des 1. Weltkrieges. Rolfs Vater Adolf heiratete im Jahre 1920 seine 2. Frau Maria, die den Kindern eine gute Ersatzmutter war und von Rolf Schulz als seine Mutter angesehen wurde, da er sich an die leibliche Mutter kaum erinnern konnte.
2. Hochzeit des Vaters - vorne in der Mitte der kleine Rolf
Rolf in den zwanziger Jahren im Atelier in Magdeburg
Konfirmation 1930 - oben in der Mitte der Kirchentür Rolf Schulz
Im Jahre 1922 erbte der Vater Adolf das elterliche
Haus in Sandau, es lag ca. 100 km von Magdeburg entfernt im Elbhavelwinkel.
Rolf Schulz ging dort bis 1930 zur Volksschule und da die Zeiten schlecht
waren und es nicht einfach war, eine Lehrstelle zu bekommen, musste er
das Handwerk des Schneiders erlernen. Die Lehre dauerte 3 Jahre und endete
1933. Nach der Gesellenprüfung konnte Rolf Schulz noch einige Zeit
im Lehrbetrieb arbeiten, bevor er an verschiedenen anderen Orten in Mecklenburg
in Brot und Lohn stand.
Das Elternhaus in Sandau
Doch die Arbeit wurde immer knapper und schließlich
arbeitete er 11 Monate beim freiwilligen Dienst und gleich darauf wurde
er 1937 zum Militär eingezogen. Rolf Schulz kam zur Marine-Land
hatte schon die Fahrerlaubnis für Klasse 1 u. 3. Nach der Grundausbildung
in Stralsund wurde er nach Kiel versetzt und erwarb bei der Marine - Kraftfahrabteilung
den Führerschein Klasse 2 und den Fahrlehrerschein.
Rolf als junger Soldat der Kriegsmarine
Erst Führerschein .....
...............dann 1941 Fahrlehrerschein
Rolf bei der Marine
4.Reihe - 4. von rechts Rolf Schulz
Es folgten weitere Lehrgänge für
die seemännische Laufbahn bis zum Bootsmann, was einem Offizier entsprach.
Es war Anfang Oktober 1939, erinnert sich
Rolf Schulz, inzwischen war der 2. Weltkrieg ausgebrochen und er musste
mit einigen Kameraden nach Gaggenau um dort etliche LKWs vom Daimler Benz-
Werk zu holen.
Diese Fahrt nach Gaggenau sollte sein
Leben entscheidend verändern und er erinnert sich, als sei es gestern
erst gewesen. Als die Gruppe von jungen Marinesoldaten in das gegenüberliegende
Gasthaus Feldschlösschen einquartiert wurden lernte Rolf Schulz hier
seine große Liebe kennen. Im Gastraum saßen drei junge Bühlertälerinnen,
Martha Oberle, Paula Schoch und Anneliese Bäuerle, die ihre Freundin
Lisa Müller besuchten. Jene bediente im Feldschlösschen. Anneliese
Bäuerle schaute immer zu ihm herüber und so ging er zu den jungen
Damen an den Tisch und sie kamen ins Gespräch. Es war also Liebe auf
den ersten Blick und später als man die Damen zum Bus geleitet hatte,
tauschte man noch schnell die Adressen. Seit jenem Tag ging Rolf Schulz
die hübsche Bühlertälerin Anneliese nicht mehr aus dem Kopf.
Die hübsche Anneliese Bäuerle aus dem Bühlertal
Doch es sollte noch einige Zeit vergehen, bis er sie wieder sehen sollte. Und es musste ein vorgetäuschter entzündeter Blinddarm herhalten. Auf einer großen Zugmaschine unterwegs kam ihm dieser Gedanke und er kam ins Lazarett, um sich operieren zu lassen. Die Diagnose aber lautete, nichts am Blinddarm und er bekam 2 Wochen Genesungsurlaub. Den sollte Rolf Schulz in Plön antreten. Er aber wollte diesen in Bühlertal bei seiner Anneliese verbringen. Also entschloss er sich, zum Kompaniechef zu gehen und alles zu beichten. Dieser hätte gesagt, es sei Krieg und er könne das nicht erlauben, aber weil Rolf so ehrlich gewesen war, ließ sich dieser erweichen und er durfte 2 Wochen nach Bühlertal fahren. Es sei ein toller Urlaub gewesen, die Eltern von Anneliese hätten ihn gut aufgenommen.
Die Eltern von Anneliese:Anna und Robert Bäuerle - Besitzer des
Milchgeschäfts
in der Jahnstraße
Nun ging alles ganz schnell. Beim Abschied,
Rolf musste zurück in den Krieg, beschloss man schnell, sich noch
zu verloben. Also mussten Ringe her, aber woher? In Baden- Baden habe es
einen kleinen Laden gegeben und dort habe man nach Ringen gefragt. Es war
unter Strafe verboten, Gold zu verkaufen, aber unter dem Ladentisch zauberte
der Inhaber ein paar Goldringe hervor. Die Verlobung konnte quasi zwischen
Tür und Angel stattfinden. Und Rolf verlobte sich mit seiner Anneliese
im „Süßen Löchel“, einem Cafe in Baden-Baden. Dann musste
er sich verabschieden. Einige Monate später bekam er einen Brief von
seiner Braut, es sei alles klar für die Hochzeit und am 3.8. 1940
heiratete Rolf Schulz in Marineuniform seine Anneliese.
Getraut wurden sie in der neuen Liebfrauenkirche
von Pfarrer Engesser. Die Ereignisse überschlugen sich und im selben
Jahr noch wurde der einzige Sohn Dieter geboren.
Hochzeit in Bühlertal - links ein Marinekamerad, hintere
Annelise ihr Onkel der Bäuerle Schmied
3.8.1940 in der Liebrauenkirche
Kränzelkinder: Links Nichte Rosemarie, in der Mitte Ursel
Stolz
Annelise zum ersten Mal zu Besuch in Sandau mit Rolfs Nichten
Anneliese mit den Schwiegereltern in Sandau
Die junge Familie: Anneliese, Dieter und Rolf Schulz
Inzwischen war Rolf Schulz Fahrlehrer in
der Nähe von Neumünster. Da er nun an einem festen Standort war,
holte er seine junge Familie nach. Rolf Schulz schildert uns, dass für
die Marine eine große Umstellung begann. Die errichteten Stellungen
sollten gehalten werden und so wurden die Maschinisten Fahrlehrer und die
Fahrlehrer wurden Seeleute. So waren die Offiziere wieder beschäftigt
und durften etliche Lehrgänge absolvieren. Rolf war schon eingeteilt
für die Angriffswelle nach England, da er nun Kommandant eines Fährprams
war.
Aber das Unternehmen wurde abgebrochen und
man fuhr von der Kanalküste nach Peenemünde, wo die Wunderwaffe
V 2 von einer Rampe in der Ostsee abgeschossen werden sollte. Es drohte
die Invasion, schildert uns Rolf Schulz, und man schickte die ganze Besatzung
ohne Boot nach Groningen. Man saß im Soldatenheim fest und Rolf beschloss
eines Tages zum Hafenamt zu gehen, er traf dort einen ehemaligen Kameraden
aus Stralsund, der Hafenkommandant war. Dieser gab ihm einen Kahn und so
fuhr er mit seinen Leuten die Ems aufwärts, durch den Küstenkanal
nach Wesermünde und dort wurden sie vom Ende des Krieges überrascht.
Anfang 1944 war Anneliese mit dem kleinen Dieter per Zug nach Bühlertal
zurück gefahren und wohnte bei ihren Eltern, s‘Milch Roberte in der
Jahnstraße, wo sie im Elternhaus eine Wohnung hatte.
Nach der Kapitulation musste Rolf einige
Tagesmärsche zurück ins alte Land wandern und bei Bauern in Ställen
und Scheunen unterkommen. Die Rückkehr in die französische besetzte
Heimat war nicht ohne Risiko und Gefahr, und oft gerieten entlassene Soldaten
nochmals in Gefangenschaft. So beschloss Rolf Schulz nach Stuttgart in
die amerikanische Botschaft zu gehen und eine Einreisebewilligung für
die französisch besetzte Zone zu bekommen. Wenn man nicht in Frankreich
im Krieg war, ging das gut. Mit den Papieren der Amerikaner hatte Rolf
nun nichts zu befürchten und kam über Karlsruhe nach Bühl
und dann nach Bühlertal zurück. Herr Schulz erinnert sich noch
wie heute an jenen schönen Herbsttag seiner Rückkehr. Den ersten
Bühlertäler, den er traf, sei der Schühles Wendel gewesen.
Zusammen seien sie ein Stück des Weges ins Bühlertal gegangen.
Die erste Zeit daheim bei der Familie sei
sehr schön gewesen, aber auch eine sehr schwere Zeit. Eine Uniform
wollte Herr Schulz nie wieder tagen. Ohne Geld und Auto sei es unmöglich
gewesen, eine Fahrschule oder dergleichen zu gründen.
So arbeitet er einige Zeit für Franz
Bart in der Wiedigstraße in Bühl und bereitet sich für
die Meisterprüfung im Schneiderhandwerk vor. Die Meisterprüfung
bestand er in Freiburg und nun wollte sich selbstständig machen.
Aber niemand wollte einen Laden vermieten und es gab als Schneidermeister
in Bühlertal keine Arbeit. Eines Tages erhielt er aber ein Angebot
aus Kiel von einem Mantel und Kostümhersteller. Rolf Schulz konnte
da als Modellmacher anfangen. Also, alles gepackt und Möbel und Familie
siedelten nach Kiel über, wo sie einige Jahre arbeiteten und lebten.
Doch irgendwann zog es die Familie wieder
heim nach Bühlertal. Rol Schulz hatte inzwischen die Fahrlehrerscheine
wieder erneuert und konnte nach der Rückkehr in diesem Beruf arbeiten.
Bis Ende 1963 arbeitete er als Fahrlehrer in der Fahrschule Bohm in Rastatt,
dann weitere 3 Jahre bei der Fahrschule Ehreiser in Bühl. Nach dieser
Zeit gründete er seine eigene „Fahrschule Schulz“. Diese war zuerst
im Untertal angesiedelt. Als die Räume zu klein wurden, bot ihm die
Gemeinde Schulungsräume im Verkehrsamt an. Die Fahrschule betrieb
er bis 1976, bis er aus gesundheitlichen Gründen seinen Beruf aufgeben
musste und die Fahrschule an seinen damaligen Fahrlehrer Herrn Flegel
verkaufte.
Familie Schulz mit Sohn Dieter und Enkelkindern
1960 erbaut - das Haus Schulz am Klotzberg
Hier lässt es sich toll wohnen - am Klotzberg
Im Jahre 1959 reifte der Gedanke für
seine Familie ein eigenes Haus zu bauen und er erwarb einen Bauplatz auf
dem Klotzberg. 1960 an Ostern ging es nach Plänen des Bühlertäler
Architekten Bergmeier mit dem Hausbau los. An Weihnachten konnte man die
eigenen vier Wände beziehen. Im Jahre 2003 musste Rolf Schulz das
Haus verkaufen und zu seiner schwer erkrankten Frau Anneliese ins Seniorenheim
ziehen.
Anneliese und Rolf Schulz am Klotzberg
Das Untertal im Rücken - glückliche Zeiten im Haus
Doch zuvor verlebten sie glückliche
Jahre auf dem Klotzberg und man fand Interesse an etlichen Reisen, zum
Beispiel nach Mallorca zur Silberhochzeit, nach Formentera oder an die
See nach St. Peter Ording. Auch wanderte man viele Jahre mit beim Schwarzwaldverein.
1990 Goldene Hochzeit
Anneliese und Rolf Schulz
Im Jahre 1996 jedoch erkrankte seine Frau
Anneliese und mit jedem Jahr verschlechterte sich der Gesundheitszustand
seiner Frau, die er viele Jahre zu Hause aufopferungsvoll pflegte. Inzwischen
hatten sie das Fest der goldenen und diamantenen Hochzeit gefeiert, und
im Jahre 2005 sogar das seltene Fest der eisernen Hochzeit. 65 Jahre verheiratet
zu sein, das ist wirklich ein Bund fürs Leben. Ab 2003 war eine häusliche
Krankenpflege nicht mehr möglich und Herr Schulz beschloss, seine
Frau im Bühlertäler Seniorenheim unterzubringen und um einige
Monate später selber dorthin ins betreute Wohnen zu ziehen. So verlebten
sie noch einige Jahre zusammen im Seniorenheim und auch dort kümmerte
er sich um seine Frau und stand er weiterhin an ihrer Seite. Sie entschlief
10 Tage vor ihrem 89. Geburtstag im Januar 2009.
Herr Schulz seiner Fotowand im Seniorenzentrum
Bis heute lebt Rolf Schulz in seiner kleinen betreuten Wohnung und es ist ihm kein bisschen langweilig, wie er sagt. Sein Tag sei ausgefüllt und er genieße es, noch so gesund zu sein, dass er weiterhin auf Reisen gehen kann. So war er dieses Frühjahr mit dem Hurtigrouten Postschiff in Norwegen von Bergen bis Kirkenes, das schon an der russischen Grenze liegt. Er wurde dabei von einem Bewohner des Seniorenzentrums begleitet. Zur Reise gibt es einen Film, eigens von Herrn Schulz gedreht, geschnitten und mit Musik untermalt. Wie so viele andere seiner Filme, hat er den Streifen im Seniorenzentrum gezeigt. Rolf Schulz war auch in Berlin und seiner alten Heimatstadt Sandau auch hier wurde eifrig gefilmt. Die Filme brennt er übrigens selbständig auf DVD, der Umgang mit dem PC ist ihm mehr als vertraut. Zum Zeitpunkt des Interviews im Oktober wartete er gerade sehnsüchtig auf seinen Internetanschluss. Auch der Umgang mit einer digitalen Kamera, er fotografiert sehr gerne und hat er gleich zwei davon, ist eine seiner leichtesten Übungen. Nein, sein Alter sieht und merkt man ihm nicht an. Oder, liebe Fans der Eichwälder Homepage, kennen sie etwa viele 93 jährige, die einen PC bedienen, als wäre das eine Selbstverständlichkeit?
Keine Angst vor neuer Technik - Rolf Schulz ist bestens ausgerüstet
Ganz nebenbei geht er auch mit wachsamem
Auge durchs Tal. Dazu folgende Begebenheit…
Am Tage, als wir seine Fotos noch einmal
gesichtet und besprochen haben, erwähnte er so nebenbei, er habe nun
grad ein Bild gemacht, als er einkaufen war, von der Hauptstraße
im Untertal Höhe Bäckerei Lambrecht - Ecke Metzgerei Knopf.
Da hatte man doch jahrelang Vorfahrt, wenn man von der Schnellstraße
in Höhe Fa. Bosch abbog und in Richtung Grüner Baum auf der
alten Hauptstraße weiter fahren wollte. Nun sei das „abknickende
Vorfahrts“-Schild weg, und es gelte rechts vor links. Völlig verblüfft
gestand ich, dass ich dies noch gar nicht bemerkt hätte und
noch immer nach der alten Vorfahrtsregel unterwegs war. Doch auf dem Heimweg
gleich geschaut, tatsächlich, das Schild war weg und nun gilt
dort „rechts vor links. Da war doch ganz „der Fahrlehrer“ Rolf Schulz
zum Vorschein gekommen. Das finde ich unbedingt erwähnenswert, dass
ein Mensch mit 93 Jahren noch voller Aufmerksamkeit auf der Straße
unterwegs ist, wenn auch “nur als Fußgänger“.
Den Foto in der Hand - Rolf Schulz auf seinem Balkon im Seniorenzentrum
Ja, nun haben wir einiges aus einem langen
und interessanten Leben erfahren, sind ein Stück mitgegangen mit Rolf
Schulz auf seinem Weg, es hat einen riesen Spaß gemacht, ihn
im Seniorenheim zu besuchen: das Interview, die vielen Fotos ( seine gerahmte
Fotowand, die auf der Rückseite mit Klebeband fixiert war, musste
er extra mit dem Messer von hinten aufschneiden, weil das Glas spiegelte),
das Sichten der Alben, die Geschichten am Rande, die das Leben schrieb,
einfach ihn etwas näher kennen zu lernen, und auch als wichtigen Zeitzeugen
zu befragen. Am Schluss erkundigte ich mich noch nach seinem Lebensmotto
und er meinte:
"Ich versuche nach den 10 Geboten
und ganz natürlich zu leben."
Vielen Dank an Herrn Schulz und alles Gute
und vor allem weiterhin ganz viel Gesundheit für seinen
weiteren Lebensweg.
Vielen Dank an Rolf Schulz und Elvi !