Gschichtle von früher
Gasthaus Kohlbergwiese
1940: Unterwegs bei der Kohlbergwiese - Frieda Ganter mit Bruno und
Hubert
Der absolute Höhepunkt war jedes Mal
wenn es hieß:
"Wir machen einen Ausflug zum Sandsee!"
Kurhaus Sand und links im Hintergrund der Sandsee
Wir nahmen den steilen Aufstieg zum Kurhaus
gerne in Kauf, aber dann ging es den Weg abwärts Richtung See.
"Wer als erster den See sieht ist Sieger!"
Endlich tauchte zwischen den Bäumen
etwas Glänzendes auf. "Wasser, Wasser, ich habe den See schon gesehen!"
Auch wenn es nur ein Schimmer von Wasser war, aber es war Wasser und für
uns jedes Mal erneut ein Erlebnis.
Das Sandseestrandbad
Der Eindruck war überwältigend
und so erfreulich, ein richtiger See, der beim Näherkommen seine ganze
"Grösse" zeigte. Es ist alles relativ, aber die Freude für uns
Kinder kann ich noch heute nachempfinden, gerade jetzt, wenn ich davon
berichte.
Frau Ganter, Tante Rosel, Roswitha, Hubert und Bruno beim Ausflug
Für eine solch größere Tour
an einem Sonntag suchten meine Eltern natürlich einen besonders schönen
Sonnentag aus und weil das offensichtlich auch andere Familien so machten
herrschte dort immer ein solcher Betrieb, eine solche "Urlaubsstimmung",
dass man sich das heute an einem solchen Ort wie dem Sandsee überhaupt
nicht mehr vorstellen kann.
Immer viel Betrieb am Sandsee -50er
Baden, Boot fahren oder nur vorbei schauen - 50er
Auf dem See waren einige nummerierte Ruderboote und ein einziges Paddelboot!. Warum ich das so genau weiß? Walter, mein ältester Bruder, war 10 Jahre älter als ich und ich habe ihn bewundert, wie er mit dem Paddelboot auf dem See herumpaddelte. Ich hätte mich nicht getraut mich in ein solches Boot zu setzen.
Die ganze "Seefahrt", die Ruderboote, die strikt einzuhaltenden "Fahrzeiten" und auch der florierende "Badebetrieb" wurden beaufsichtigt von Albert Stolz, er bekam von uns den ehrenvollen Titel "Sandsee-Kapitän". Obwohl er bei uns im Hause im OG wohnte hatten wir beim Ausleihen eines Bootes weder einen Zeitbonus noch einen Preisvorteil.
Der Sandseekapitän
Sein Kennzeichen war eine "Dienstmütze",
seine Trillerpfeife im "Anschlag" und sein militärisches Auftreten
verschafften ihm den gehörigen Respekt. (siehe auch Anm.)
Nach Ablauf der gestoppten Zeit erschallte
der Ruf über den See:
"Boot an Land!"
Habe eben bei Lothar recherchiert, damit
ich sicher alles ganz original schreibe. Es hieß also nicht: "Boot
an Land!" sondern:
"Flotte an Land!"
Wer baden wollte, konnte sich in einer "Bretterkabine"
umziehen. Ob es damals so etwas wie einen Kiosk gab, weiß ich nicht,
eher nicht.
Rast beim Ausflug: Bruno, Hubert und Mutter
Auf dem Heimweg gab es immer noch eine wichtige
Station, nämlich das Gasthaus "Zum Waldeck". Wir bekamen eine Flasche
Limonade und das war etwas ganz Besonderes. Das Glas in beiden Händen,
kaum mal abgestellt, war immer Grund zur Aufforderung:
"Jetzt stell` das Glas mal wieder hin!"
Ähnlichkeiten mit heute wären
rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Gasthaus Waldeck am Eingang des Gertelbachtales, hier gab es die begehrte
Limo
D A S Ausflugsziel !
Anmerkungen:
Herr Stolz war Soldat unter Kaiser Wilhelm
in Berlin (mein Vater war in einem Garderegiment in Berlin) und nahm an
der Niederschlagung eines Aufstandes in China teil.
Der Einfluss europäischer Staaten wie
England, Russland und auch Deutschland in China führte dazu, dass
sich ein Geheimbund "starke Faust" aus Patrioten bildete, der sich gegen
fremde Einflüsse zur Wehr setzte. Er setzte sich für Recht und
Einigkeit ein und wurde unter Anlehnung an den aus dem Englischen stammenden
Begriff "boxen = Faustkampf" als so genannter "Boxeraufstand"
bezeichnet. Am Kampf der deutschen Truppen
nahmen 2 500 Mann des I. und II. Seebatallions teil.
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Ergänzung:
Anlässlich eines Familientreffens mit
Lothar und Wanderung hier eine Ergänzung obiger Erzählung:
Der jüngste U r e n k e l von
Lothar staunte über den See mitten im Wald und wurde umgehend belehrt:
"Das ist jetzt kein Baggersee, wie du sie
kennst, das ist ein richtiger,natürlicher See!"
Falsch !
Lothar und ich müssen verbessern:
Der Sandsee ist ein kleiner,künstlich
angelegter Stausee. Man erkennt deutlich den aufgeschütteten Wall,
zur Seeseite gemauert und mit Überlauf versehen. Links des Sees, kaum
jemals beachtet, verläuft ein tiefer Einschnitt als gelegentliches
Bachbett. Auffallend sind die betonierten Teile des Einlaufes mit (nicht
mehr vorhandener ) Brücke zum Umleiten des Wassers bei den Bauarbeiten.
Ursprünglich angelegt zur plötzlichen
starken Wasserführung Richtung Schwallung (Schwelli Bruck ) durch
die Murgschifferschaft.
Im Jahre 1933 ! offensichtlich als Badesee
- evtl.auch als Wasserreservoier bei Brand - neu angelegt durch den
Einsatz des Reichsarbeitsdienstes, worauf der Gedenkstein beim Einlauf
des Wassers auf der linken Seite hinweist.
Vielen Dank an Hubert !
siehe
auch Gschichtle 110: "Fastenurlaub in Herrenwies"