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Gschichtle von früher



Gschichtle 92:
Der Sandsee  --  d a s Ausflugsziel !
 von Hubert Ganter
(20.6.09)


Dass sich unser Leben als Kinder vorwiegend auf der Strasse abgespielt hat, ohne deshalb "Straßenkinder" im heutigen Sprachgebrauch zu sein, und dass dieses Spielen so gut wie bei jedem Wetter stattfand, habe ich schon mehrmals anklingen lassen. Aber ein sonntäglicher Ausflug m i t den Eltern war schon etwas ganz Besonderes.
Ein Ziel war z.B. auch die Kohlbergwiese, natürlich das dortige Gasthaus, aber das war nur 2.Wahl.


Gasthaus Kohlbergwiese


1940: Unterwegs bei der Kohlbergwiese - Frieda Ganter mit Bruno und Hubert

Der absolute Höhepunkt war jedes Mal wenn es hieß:
"Wir machen einen Ausflug zum Sandsee!"

Kurhaus Sand und links im Hintergrund der Sandsee

Wir nahmen den steilen Aufstieg zum Kurhaus gerne in Kauf, aber dann ging es den Weg abwärts Richtung See.
"Wer als erster den See sieht ist Sieger!"
 

Endlich tauchte zwischen den Bäumen etwas Glänzendes auf. "Wasser, Wasser, ich habe den See schon gesehen!" Auch wenn es nur ein Schimmer von Wasser war, aber es war Wasser und für uns jedes Mal erneut ein Erlebnis.

Das Sandseestrandbad
Der Eindruck war überwältigend und so erfreulich, ein richtiger See, der beim Näherkommen seine ganze "Grösse" zeigte. Es ist alles relativ, aber die Freude für uns Kinder kann ich noch heute nachempfinden, gerade jetzt, wenn ich davon berichte.


Frau Ganter, Tante Rosel, Roswitha, Hubert und Bruno beim Ausflug

Für eine solch größere Tour an einem Sonntag suchten meine Eltern natürlich einen besonders schönen Sonnentag aus und weil das offensichtlich auch andere Familien so machten herrschte dort immer ein solcher Betrieb, eine solche "Urlaubsstimmung", dass man sich das heute an einem solchen Ort wie dem Sandsee überhaupt nicht mehr vorstellen kann.

Immer viel Betrieb am Sandsee -50er


Baden, Boot fahren oder nur vorbei schauen - 50er

Auf dem See waren einige nummerierte Ruderboote und ein einziges Paddelboot!. Warum ich das so genau weiß? Walter, mein ältester Bruder, war 10 Jahre älter als ich und ich habe ihn bewundert, wie er mit dem Paddelboot auf dem See herumpaddelte. Ich hätte mich nicht getraut mich in ein solches Boot zu setzen.

Die ganze "Seefahrt", die Ruderboote, die strikt einzuhaltenden "Fahrzeiten" und auch der florierende "Badebetrieb" wurden beaufsichtigt von Albert Stolz, er bekam von uns den ehrenvollen Titel "Sandsee-Kapitän". Obwohl er bei uns im Hause im OG wohnte hatten wir beim Ausleihen eines Bootes weder einen Zeitbonus noch einen Preisvorteil.


Der Sandseekapitän
Sein Kennzeichen war eine "Dienstmütze", seine Trillerpfeife im "Anschlag" und sein militärisches Auftreten verschafften ihm den gehörigen Respekt. (siehe auch Anm.)
Nach Ablauf der gestoppten Zeit erschallte der Ruf über den See:
"Boot an Land!"
Habe eben bei Lothar recherchiert, damit ich sicher alles ganz original schreibe. Es hieß also nicht: "Boot an Land!" sondern:
"Flotte an Land!"
Wer baden wollte, konnte sich in einer "Bretterkabine" umziehen. Ob es damals so etwas wie einen Kiosk gab, weiß ich nicht, eher nicht.


Rast beim Ausflug: Bruno, Hubert und Mutter

Auf dem Heimweg gab es immer noch eine wichtige Station, nämlich das Gasthaus "Zum Waldeck". Wir bekamen eine Flasche Limonade und das war etwas ganz Besonderes. Das Glas in beiden Händen, kaum mal abgestellt, war immer Grund zur Aufforderung:
"Jetzt stell` das Glas mal wieder hin!"
Ähnlichkeiten mit heute wären rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Gasthaus Waldeck am Eingang des Gertelbachtales, hier gab es die begehrte Limo
 


D A S Ausflugsziel !

Anmerkungen:
Herr Stolz war Soldat unter Kaiser Wilhelm in Berlin (mein Vater war in einem Garderegiment in Berlin) und nahm an der Niederschlagung eines Aufstandes in China teil.
Der Einfluss europäischer Staaten wie England, Russland und auch Deutschland in China führte dazu, dass sich ein Geheimbund "starke Faust" aus Patrioten bildete, der sich gegen fremde Einflüsse zur Wehr setzte. Er setzte sich für Recht und Einigkeit ein und wurde unter Anlehnung an den aus dem Englischen stammenden Begriff "boxen = Faustkampf" als so genannter "Boxeraufstand"
bezeichnet. Am Kampf der deutschen Truppen nahmen 2 500 Mann des I. und II. Seebatallions teil.
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Ergänzung:
Anlässlich eines Familientreffens mit Lothar und Wanderung hier eine Ergänzung obiger Erzählung:
Der jüngste U r e n k e l  von Lothar staunte über den See mitten im Wald und wurde umgehend belehrt:
"Das ist jetzt kein Baggersee, wie du sie kennst, das ist ein richtiger,natürlicher See!"
Falsch !
Lothar und ich müssen verbessern:
Der Sandsee ist ein kleiner,künstlich angelegter Stausee. Man erkennt deutlich den aufgeschütteten Wall, zur Seeseite gemauert und mit Überlauf versehen. Links des Sees, kaum jemals beachtet, verläuft ein tiefer Einschnitt als gelegentliches Bachbett. Auffallend sind die betonierten Teile des Einlaufes mit (nicht mehr vorhandener ) Brücke zum Umleiten des Wassers bei den Bauarbeiten.
Ursprünglich angelegt zur plötzlichen starken Wasserführung Richtung Schwallung (Schwelli Bruck ) durch die Murgschifferschaft.
Im Jahre 1933 ! offensichtlich als Badesee - evtl.auch als Wasserreservoier bei Brand  - neu angelegt durch den Einsatz des Reichsarbeitsdienstes, worauf der Gedenkstein beim Einlauf des Wassers auf der linken Seite hinweist.

Vielen Dank an Hubert !
 

siehe auch Gschichtle 110: "Fastenurlaub in Herrenwies"



Gschichtle 93:
Mageres Angebot an Lesestoff
Erinnerungen an meine ersten Bücher, meine ersten Kontakte zur "Literatur".
 von Hubert Ganter
(27.6.09)
 

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