www.eichwaelder.de

Gschichtle von früher



Gschichtle 103:
"Gedankensplitter (aus der Nachkriegszeit) Teil III"
 von Hubert Ganter
(5.9.09)

Martin ist ein recht freundlicher Mann, schickt er mir doch kostenlos irgendwelche Fotos und setzt damit mein Gehirn in Schwingungen. Er meint, ich hätte meine "kreative Phase" und mir würde schon etwas Passendes zu den Fotos einfallen.
Das war in besonderem Masse bei einem Foto der Fall und es entstand spontan das Gschichtle von den "Hamsterern". Kommentare zu weiteren Bildern werden allerdings nicht so umfangreich ausfallen.

Dieses Foto ist auch der Auslöser dafür, dass ich noch einmal in Form von "Gedankensplittern" ein bisschen von der unmittelbaren Nachkriegszeit erzählen will.
Es sind Banalitäten, nichts Umwerfendes, aber so, wie durch kleine Mosaiksteinchen ein Bild entsteht, so entsteht durch diese "Splitter" eine gewisse Vorstellung von den damaligen Umständen, Zuständen und sie sind evtl. auch ein bisschen unterhaltsam.

Autokennzeichen:

Die amtlichen Autokennzeichen hatten nicht  BH und, wie später  RA auf dem Nummernschild, sonder FB 23, d.h. Französich Besetzte Zone

Schulnoten:

Die Schulnoten wurden auf das französische System umgestellt. Die Punktzahl reichte von 0 Punkten ( 6 ) bis zu 20 Punkten ( 1 ). Dieses System ist wohl allen bekannt, war aber für uns Schüler eine gewaltige Umstellung und sehr gewöhnungsbedürftig, aber unserem System weit überlegen und genauer. Dass man auch Schuhe, Kleidung usw. auf "Punkte" bekam gab zu vielen Spässchen Anlass, aber meine relativ vielen Punkte brachten mir in dieser Hinsicht nichts ein.

Rote Lippen:

Beim Gasthaus "Zum Waldeck" sah ich zum ersten Mal in meinem Leben, dass eine Offiziersfrau auffallend rote Lippen hatte. Ich war offensichtlich so beeindruckt, dass ich das sofort meiner Mutter berichtet habe, die darauf meinte: "Das machen die Frauen in Frankreich halt so! "Nebenbei bemerkt: Dass eine einzige "deutsche Frau" bald auch rote Lippen hatte weiß ich noch heute ganz genau.

"Grenzzwischenfall":
Ich fuhr mit meinem Fahrrad  - schwarz, schwer, schaltungsfrei - nach Ersingen. Nach Karlsruhe, dann nach rechts abbiegen !! das waren meine Ortskenntnisse. An der ersten großen Kreuzung bog ich ab, kam nach großen Strapazen irgendwann in Richtung Pforzheim und musste wieder, allerdings dann bergab!! zurück nach Ersingen. Auf der geraden Strecke zwischen Rastatt und Ettlingen, etwa Höhe Malsch, sah ich eine riesengroße Tafel mit einer "unleserlichen" Aufschrift, bei deren Studium ich von der Strasse abkam und in den Graben stürzte. Es blieb bei einigen Schrammen und ich konnte die Fahrt fortsetzen. Es handelte sich um die Zonengrenze zwischen der französischen und amerikanischen Besatzungszone. Auf diese Weise kann man etwas besonders gut im Gedächtnis behalten.

Pistole:
Lothar war auf dem Längenberg und eine Frau (eines Studienrates) schenkte !!! ihm ganz freundlich das Buch "Mein Kampf !!!", einen original russischen Degen, eingefettet und garantiert rostfrei und prächtig ausgestattet und auch noch eine kleine Pistole!!!
Zu unserem Glück kam mein Vater - die französischen Truppen waren schon in Rastatt - vom Volkssturm nach Hause und hat voller Entsetzen die Geschenke dieser vornehmen (ausgesprochen unverschämten und gemeinen !!) Dame gesehen und sie schleunigst beseitigt. Der Besitz solcher Gegenstände hatte sehr weit reichende und unabsehbare Folgen.
Was mein Vater allerdings nicht wusste:
Lothar hat die Lunte wohl gerochen, wollte aber unter allen Umständen die Pistole behalten und brauchte dafür ein absolut sicheres Versteck.
Und das hat er auch gefunden.
Er schraubte den Glasschirm unter der Lampe ab und legte dieses "Goldstück von Pistole" in  die Lampe.
Die marokkanischen Soldaten mit Umhang und Turban sitzen bei uns am Tisch bei einer saftigen Hammelkeule  - ich saß dazwischen und durfte kräftig mitessen  - und, dem Himmel sei Dank, es war schön hell und niemand kam auf die Idee, das Licht einzuschalten.
Verhaften und einsperren wäre das Mindeste gewesen.

In Ganters Esszimmer - von der Lampe sieht man nur den Schmuck - Links Kaplan Böhe und Pfarrer Schneble

Schwarzhören:

Es war unter Strafandrohung strengstens verboten, einen ausländischen Sender zu hören. Die Leute bekamen ausschließlich zensierte und für Deutschland grundsätzlich positiv ausfallende Meldungen zu hören. Es hätte sich auch niemand getraut, auch nur den nächsten Bekannten vom gelegentlichen "Schwarzhören" zu erzählen.
Bei uns im OG, in einem sehr großen Raum (Fotoatelier), war ein Offiziersstab mit unendlich vielen Landkarten u.ä. einquartiert. Ein noch junger Offizier wohnte auch noch bei uns im Hause. Während unsere Schlafzimmer im dritten Stock waren, war unsere Küche im ersten Stock. Lothar plagte eines Nachts der Durst so sehr, dass er mitten in der Nacht aufstand, um in der Küche Wasser zu trinken. Er hörte Stimmen und verhielt sich klugerweise ganz ruhig. Durch die nur angelehnte Türe sah er den jungen Soldaten, wie er vor dem Volksempfänger sitzt und einen "Fremdsender" hört (engl.Sender in deutscher Sprache). Man denke an die noch relativ harmlosen Beeinträchtigungen und Irreführungen in der ehemaligen DDR im Vergleich zum Hitlerregime.


Eichwald in der Nachkriegszeit


Lothar und Sepp Schindler in den Nachkriegsjahren

Hemdenstoff:
Wenn man auf Umwegen zu einem Stück Hemdenstoff in der jetzt verhassten und verbotenen Farbe kam, so war er zunächst wertlos. Erst durch das Färben  - wie und mit welchen Mitteln weiß ich nicht mehr   -  war er zu gebrauchen. Und aus einem solchen "im Wert gesteigerten Stoff" wurden für Bruno und mich Hemden gefertigt. Es war Frau Schindler, die sich nicht erweichen liess, die Hemden zumindest etwas kürzer zu schneidern, damit sie nicht aus der kurzen Hose herausschauen. Über kurze Hosen und die dazu nötigen Strümpfe (Winter gab es auch ) habe ich schon mal berichtet. Die erste lange Hose gab es allenfalls zur Kommunion oder dann zur Schulentlassung.
Man könnte einen kleinen Vergleich mit dem "Mode-Terror" der heutigen Schüler untereinander anstellen.

Schülerspeisung

Fotografieren:
Die Marokkaner stürmten regelrecht unseren Laden, alle wollten sie Kameras um einfach darauf loszuknipsen. Dass man einen Film in diesen Kasten "einspannen" musste, das wussten sie. Aber sonst nichts, vielleicht hatten sie vorher noch nie eine Kamera gesehen. Von Blende, Geschwindigkeit, Entfernung keine Ahnung. Sie knipsten, was das Zeug hielt, brachten die Apparate zurück und nach dem Entwickeln sah man das Ergebnis: Nichts Verwertbares!
Sie waren sehr aufgebracht, es war von Sabotage die Rede und die Situation spitzte sich zu. Zum Glück konnte ein Nachbar (Fräulein Strehlin?, Vikar Duffner ? o.a.) ein paar Worte Französisch und konnte die prekäre Lage entschärfen.

Kirche:
Die Kapelle in unserem Internat, schon eher als Kirche zu bezeichnen (früher Priesterseminar) war sonntags für die französischen Offiziersfamilien reserviert. Vor unseren Zimmern standen die schönen Autos der Franzosen, für uns armen Teufel als Schüler nichts, als ein nie in Erfüllung gehender Traum. Unsere heutige Mobilität einfach unvorstellbar.

Arbeitsplätze:
In der Not hat sich Lothar zusammen mit Wolfgang Bühlichen bei der Firma Getränke Schrimpf in Bühl (Johann -Frass-Str.) ein paar Mark verdienen können. Dort wurde neben Sprudel und anderen Getränken auch Bier aus großen Fässern in Flaschen abgefüllt. Lothar verweist ausdrücklich darauf hin, es waren 0,7 Liter Flaschen, ein damals gebräuchliches Mass. Das Schöne bei der Sache war, dass sie genug Bier zu trinken bekamen und Bier ist bekanntlich eine Art flüssiger Nahrung.
Interessant: Auf diesem ehemaligen Firmengelände wurden in neuerer Zeit zwei große Wohnhäuser errichtet, und in einem habe ich vorübergehend gewohnt.

Auch das Pflanzensetzen war eine Arbeitsmöglichkeit. So war er damit beschäftigt z.B. unterhalb der Bühlerhöhe Tannen zu setzen, die der Sturm Lothar - ein Namensvetter!!! dazu noch - umgelegt hat. Der eine Lothar setzt die Pflanzen, der andere Lothar weiß nichts Besseres als sie einfach umzulegen. So ist es nun einmal.

Es wird angepflanzt - an der Schwarzwaldhochstraße

Häuser statt Panzer-Übungsgelände:
Zum Schluss: Wo früher die amerikanischen Panzer stationiert waren und ihre Übungsfahrten absolvierten, genau da steht nun unser neues Haus (Konversionsgebiet  und neues Stadtviertel wie in Bühl). Vom Schreibtisch aus kann ich den Zaun sehen, hinter dem heute gelegentlich deutsche Panzer verladen werden. Es ist hier alles sehr ruhig und friedlich.
Als Kind habe ich einen vom fahrenden Kampfpanzer heruntergefallenen Krummsäbel hinaufgereicht und man hat gegen mich zurückgeschlagen.
Wie sehr hat sich doch alles zum Guten gewendet.

Vielen Dank an Hubert !



Gschichtle 104:
"Gesamtschule Herrenwies"
 von Hubert Ganter
(12.9.09)
 
 

 zur Übersicht Gschichtle
 

 home