Gschichtle von früher
Mit der Pferdekutsche gemütlich auf der Autobahn in Richtung Pforzheim, das war nichts Ungewöhnliches für meinen Onkel aus Ersingen. Es waren dort weder Autos noch Polizei zu sehen, und von Geschwindigkeitsmessungen war auch keine Rede. Ein Traum, kein Auto vor mir und kein Radar.
Er machte sich selbst zum Sprudel-Lieferanten
von Wirtschaften.
Wie?
Ganz einfach. Er besorgte sich sog. Sole
von einer Mineralwasser-Quelle (wo?), füllte sie mit Wasser und mit
Kohlensäure versetzt in Flaschen ab und fertig war der Sprudel. Als
Schmied und Schlosser konnte er offensichtlich mit Gasflaschen umgehen.
Der auf diese Weise selbst kreierte Sprudel wurde mit einem Leiterwägelchen ausgefahren. Ich war auch schon mal dabei, wie wir eine Wirtschaft "beliefert" haben!"
Die Tante aus Ersingen war mit dem Weihnachtsgebäck
sehr großzügig. Nichts von "Rationierung" und abschließbaren
Türen. Wir saßen am Wohnzimmertisch und sie schüttete aus
einem prall gefüllten Kissenbezug! die Springerle, Buttergebackene,
Hildabrötchen und was es alles gab in einem großen Berg auf
den Tisch und: "So, jetzt könnt ihr essen was ihr wollt und so viel
ihr wollt!"
Große Augen und los ging´s!
Meinen Stiefgroßvater erwähne
ich nur meinem Bruder Lothar zuliebe, damit ich Lustiges berichten kann.
Er selbst verdient es nicht, auch nur genannt zu werden!!
Lothar hatte einen Riesenspaß, für
ihn Weihnachtsgebäck zu backen, natürlich gleich Springerle,
weil die besondere Sorgfalt benötigen, damit die "Füßchen",
auch "Stollen" genannt, gut aufgehen.
Eine Menge "Hirschhornsalz" wird das schon
richten!
Der Teig wurde geknetet, gewalkt, nach allen
Regeln der Kunst regelrecht "malträtiert", ja selbst mehrfach so hoch
geworfen, dass an der Küchendecke Flecken zu sehen waren. Ich war
hell begeistert von diesen Vorführungen und das war sicher für
Lothar auch ein Ansporn, sich richtig ins Zeug zu legen.
Das Ergebnis: keine Stollen, keine Füßchen,
glatt wie eine Flunder und hart wie Kruppstahl. Nur mit sehr guten Zähnen
und gutem Willen konnte man sie essen. Wer hatte diese Zähne und diesen
Willen? Wir!! Wir jedenfalls waren mit dem Ergebnis sehr zufrieden.
Lothar spielte auch die Rolle eines "Sekretärs"
und machte sich einen Heidenspaß daraus, für ihn regelrechte
"Anwerbeschreiben!?!" - wie soll ich sie benennen - an verschiedene
Frauen zu schicken. Er beschrieb darin, was Opa alles besitzt, so z.B.
stand zu lesen:
"Bei mir im Haus !! - oder so ähnlich
-hat ein Fotograf sein Geschäft und er wohnt auch hier!"
Meine Eltern hatten nicht die geringste
Ahnung, was Lothar sozusagen "im Auftrag" des Stiefgroßvaters alles
schrieb und in den Briefen log, dass sich die Balken biegen.
Ich habe später mitbekommen, dass meine
Eltern bei dieser Art "Brautschau" - inszeniert von Lothar - alle Mühe
hatten, die Besitzverhältnisse zu klären.
Eine Frau blieb tatsächlich bei ihm
und wohnte viele Jahre bei uns im Haus im Dachgeschoss, bis sie endlich
bereit war auszuziehen, damit Walter diese Zimmer bekommen konnte.
Bei diesem Gschichtle habe ich darauf verzichtet
auf die einzelnen Personen auf dem Foto hinzuweisen, es kennt sie ja doch
niemand?, sie sind aber alle zu sehen und waren der Anlass für diese
mehr oder weniger interessanten Bemerkungen, je nachdem, wie man es sieht.
Vielen Dank an Hubert !