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Aufruhr im englischen Team
Superstar Beckham droht die Bank
Die englische Nationalmannschaft hat sich als Sieger der Gruppe B souverän für das WM-Achtelfinale qualifiziert und kann sich nun, so sollte man meinen, in aller Ruhe auf die Partie gegen Ecuador vorbereiten. Doch ausgerechnet jetzt holt Trainer Sven-Göran Eriksson zu einem verbalen Tiefschlag gegen seinen Kapitän aus.
David Beckham ist in England in die Kritik geraten. Foto: dpa
HB BÜHLERTAL/BAD KISSINGEN. Aufruhr bei England: Sven-Göran Eriksson droht Superstar David Beckham mit der Roten Karte. „Wenn er die Leistungen nicht bringt, dann lasse ich ihn draußen oder hole ihn vom Platz. Er ist zwar Kapitän, wird deswegen aber nicht bevorzugt behandelt“, sagte der 58 Jahre alte Trainer und sorgte vor dem WM- Achtelfinale gegen Ecuador am Sonntag in Stuttgart für den ersten Paukenschlag bei den englischen Fußballern. Der Stürmer-Notstand nach dem WM-Aus von Michael Owen macht Eriksson unterdessen keine Sorgen mehr. So gut wie sicher ist, dass Wayne Rooney den Weltmeister von 1966 im Alleingang ins Viertelfinale schießen soll.
Als Eriksson und Beckham am Freitag Seite an Seite den Trainingsplatz in Bühlertal betraten, hatten diverse englische Medien ihre Schlagzeilen längst verbreitet. „Beckham ist nicht unantastbar. Ich bin nicht mit Beckham verheiratet“, wurde der Trainer zitiert. „Er ist der Spielführer, wird aber wie alle anderen Spieler behandelt. Egal, ob das beim Essen ist, im Bus, oder im Training.“ Das Massenblatt „Sun“ ließ Eriksson sagen: „Ich bin kein Waschlappen“.
Der 31 Jahre alte Star von Real Madrid und Lieblingsspieler von Eriksson
bereitete bei der WM zwei Tore vor, ist aber wegen seiner ansonsten enttäuschenden
Auftritte in die Kritik geraten. Aus Angst, er müsste sich ohne WM-Titel
als Trainer verabschieden, habe Eriksson die Wandlung vom Gentleman zum
harten Hund vollzogen, mutmaßten die Zeitungen. In der fünfeinhalbjährigen
Ära des Schweden hat Beckham bei großen Turnieren mit einer
Ausnahme keine Minute gefehlt: Beim WM-Start 2002 gegen Schweden wurde
er nach 27 Minuten ausgewechselt.
Während Beckham in der englischen Öffentlichkeit offenbar unten durch ist, ist Wayne Rooney keine acht Wochen nach dem Mittelfußbruch mit seinen erst 20 Jahren Englands großer Hoffnungsträger. „Er wird immer besser und macht alles, was von ihm verlangt wird. Hoffentlich auch Tore“, sagte Eriksson. Er plant mit Rooney als alleinige Sturmspitze: „Er kann das. Wayne ist jung und stark. Gegen Schweden war er in der ersten Halbzeit exzellent.“ Hinter Rooney soll Steven Gerrard als zweiter Stürmer auf Torejagd gehen. „Er ist in jeder Rolle fantastisch“, sagte Eriksson.
Ecuadors Trainer Luis Suárez hat derweil die Schonzeit der Stars beendet. Die Stürmer Agustin Delgado und Carlos Tenorio, Kapitän, Abwehrchef und Rekordnationalspieler Ivan Hurtado, Linksverteidiger Neicer Reasco und Mittelfeldmann Segundo Castillo kehren nach der Pause im Deutschland-Spiel in die Mannschaft zurück. „Wir haben erst unser erstes Ziel erreicht und noch einiges vor. Die WM ist für Ecuador noch nicht vorbei“, sagte Suárez.
Es gehe aber nicht um Leben oder Tod, spielte der Kolumbianer die Bedeutung
der Partie etwas herunter. Mit dem erstmaligen Einzug ins WM-Achtelfinale
habe Ecuador schon viel erreicht, „wir wollen aber weiter Geschichte schreiben“.
Ulises de la Cruz spielt seit 2002 bei Aston Villa und damit als einziger
Ecuadorianer bei einem europäischen Erstliga-Club. Er hat schon gegen
alle Engländer gespielt und kann seinem Trainer als „Assistent“ gute
Tipps geben: „Wir wollen versuchen, den Giganten zu stürzen“, sagte
der 32 Jahre alte Offensiv-Verteidiger. „England ist als Kollektiv stark
und ein großer Gegner. Aber die WM ist dafür da, Geschichte
zu machen."
HANDELSBLATT, Freitag, 23. Juni 2006, 11:59 Uhr
Engländer greifen zu allen Mitteln
Mit Zauberformel gegen den Elfmeter-Fluch
Bei dieser Weltmeisterschaft gibt es eigentlich nur einen Gegner, vor dem sich die englische Fußball-Nationalmannschaft fürchtet. Der Gedanke ans Elfmeterschießen treibt Beckham, Rooney und Co. Schweißperlen auf die Stirn und sorgt für schlaflose Nächte im englischen WM-Quartier. Jetzt sollen Wissenschaftler Englands Fußballer vom Elfmeter-Trauma befreien.
HB BÜHLERTAL. Experten der John-Moore-Universität in Liverpool wollen eine Zauberformel entdeckt haben, die den „Three Lions“ auf dem Weg zum zweiten WM-Titel nach 1966 ein erfolgreiches Elfmeterschießen garantiert. Trainer Sven-Göran Eriksson hat dem Vernehmen nach das angeblich perfekte System bereits studiert, doch der Schwede gibt weiterhin konventionellen Methoden den Vorzug vor ungeprüften Rechenspielereien.
Vor dem WM-Achtelfinale gegen Ecuador am Sonntag in Stuttgart gehört das Elfmeterschießen zum festen Bestandteil des Trainingsprogramms in Bühlertal. Eriksson hat seine fünf Schützen bereits im Kopf, „aber das Problem ist, dass man nicht weiß, ob sie nach 90 oder 120 Minuten noch auf dem Platz sind. Deshalb müssen zehn, elf Spieler und sogar mehr Elfmeter üben. Wenn es zum Shoot-out kommt, dann schneiden wir hoffentlich besser ab als in den letzten Turnieren.“ Nach dem EM-Viertelfinale 1996 hat England bei Titelkämpfen kein Elfmeterschießen mehr gewonnen.
Zwei Jahre später bei der WM in Frankreich konnten weder die magischen Kräfte des TV-Telepathen Uri Geller noch der von den Uni- Wissenschaftlern als perfekt bewertete Strafstoß von Alan Shearer den K.o. gegen Argentinien im Achtelfinale verhindern. Die Mathematiker aus Liverpool haben ihren Berechnungen die Analyse aller englischen Elfmeter bei großen Turnieren seit 1962 zu Grunde gelegt und dabei Werte wie Schussgeschwindigkeit, Anzahl der Schritte beim Anlauf oder Fußhaltung beim Schuss berücksichtigt.
„Bis heute wurde das Elfmeterschießen immer als Lotterie beschrieben“, berichtete David Lewis, Erfinder der Elfmeter-Formel, „und bisher hat England zumeist das falsche Los gezogen.“ Der Mathematiker empfahl „häufiges Üben unter Anleitung dieser Formel“, die allerdings nicht jedem zugänglich sein dürfte. (((X+Y+S)/2)x((T+I+2B)/4))))V(2/2)-1 lautet das wundersame Zahlenwerk aus der Stadt der Beatles. „Für mich gibt es nur ein Erfolgsrezept: Üben, üben, üben“, widersprach Liverpools Stürmer Peter Crouch.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die ideale Schussgeschwindigkeit 25 bis 29 Meter pro Sekunde betrage. Die ideale Anzahl der Anlaufschritte liege zwischen vier und sechs - ein langer Anlauf von zehn Schritten sei nicht Erfolg versprechend. Den Schützen wird auch geraten, vor der Ausführung nicht länger als drei Sekunden zu warten. Die Studie wurde übrigens vom britischen Buchmacher „Ladbrokes“ auf den Wettzettel genommen. Die Quote auf eine WM- Niederlage Englands im Elfmeterschießen steht bei 3:1.
Der ehemalige Nationalspieler Alan Shearer soll nach der WM den Trainerstab
der englischen Fußball-Nationalmannschaft verstärken.
Alan Shearer soll offenbar in Englands Trainerstab eingebunden werden.Englischen Presseberichten zu Folge soll der derzeitige Co-Trainer Steve McClaren, der nach dem Turnier den Schweden Sven-Göran Eriksson als Chefcoach ablöst, dem 35-Jährigen ein entsprechendes Angebot gemacht haben. Der englische Verband FA verweigerte in Bühlertal eine Stellungnahme. «Die Pläne von Steve McClaren werden erst dann öffentlich diskutiert, wenn die WM vorbei ist», erklärte FA-Sprecher Adrian Bevington.
Shearer selbst dementierte die Meldungen. Das angebliche Interesse der FA sei «sehr schmeichelhaft», sagte er, «aber an mich ist noch niemand herangetreten». Der frühere Top-Torjäger (30 Tore in 63 Länderspielen) hatte in der vorigen Saison seine aktive Karriere beim Premier-League-Club Newcastle United beendet und arbeitet bei der WM in Deutschland fürs BBC-Fernsehen. Neben Shearer wird auch Terry Venables, englischer Nationaltrainer von 1994 bis 1996, als Mitglied von McClarens Betreuerstab gehandelt.
dpa, 15:27 Uhr
© 2006 Financial Times Deutschland, © Illustration: dpa