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Gschichtle von früher



Gschichtle 73:
Der Weg zur Arbeit  "mit OHNE" Pendlerpauschale
von Hubert Ganter
(17.1.09)



Zuerst zur Information: Was ich  im Folgenden berichte, weiß ich zum größten Teil aus eigener Erfahrung, sozusagen als Augenzeuge, habe mich aber der korrekten Berichterstattung halber bei Lothar ( 6 Jahre älter) kundig gemacht. Es handelt sich um Personen, die beim Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen den Eichwald kreuzten und wir als Kinder uns so sehr darüber wunderten, dass ich noch heute detailgenau davon berichten kann, möchte mich aber möglichst kurz fassen.


Punkt: Haus Welle
Schreinermeister Welle ging täglich von seinem Wohnhaus (Nähe Rathaus) zu Fuß bis zum Sickenwald, wo sich seine Schreinerwerkstatt befand. Als Eichwälder könnt ihr euch diese Strecke gut vorstellen. Aber: Man sah ihn nicht nur morgens, nein, auch über Mittag nahm er diese Mühe auf sich und brachte es so im Laufe der Woche auf eine ansehnliche Zahl von Kilometern. Wem es Spaß macht soll mal anfangen zu rechnen - bitte den Samstag Vormittag nicht vergessen!


Über das Wiedenbachtal zum Sickenwald

Im Hof gegenüber dem mehrfach erwähnten "Strick-Beck" befand sich das Sägewerk der Familie Baumann vom Untertal. Wir sagten einfach s ´Bauseppe. Ihr Haus war gegenüber der "Laube". War diese Strecke, die täglich gemeistert werden musste, nun länger oder gleich lang wie die vom Rathaus bis zum Sickenwald? Wenn ich einen genauen Ortsplan hätte würde ich das jedenfalls "ausmessen".


Sägewerk Baumann


Vor dem Sägewerk Baumann in den 30ern (Vierter Mann von rechts: Adolf Baumann. Er besaß das Sägerwerk mit seinem Bruder Josef (Baugasse gegenüber der Laube) und seinem Cousin Otto (Hirschbach).

Dilgers von der Schönbüch hatten schwere, kräftige Kaltblutpferde und marschierten täglich mit diesem Gespann an unserem Haus vorbei auf dem Weg zur Arbeit irgendwo auf der "Höhe", um Baumstämme zu rücken, d.h.aus dem Wald heraus zu den Holzabfuhrwegen zu ziehen. Man stelle sich einmal den Weg zur Arbeit vor, dann die schwere Arbeit als solche, und abends müde wieder nach Hause  - und am nächsten Morgen alles von vorn.

Holzfuhrwerk auf der Sandstraße

Arbeitsplätze im Bühlertal?
Da gab es wenig Auswahl. Arbeit gab es als Holzhauer, auf der Sägemühle, als "Sträßler" vorwiegend im Schwarzwald, wobei die Arbeiter die ganze Woche über von zu Hause weg waren und in Hütten oder Baracken wohnten. Die wenigen Handwerksbetriebe waren Familienunternehmen und boten so gut wie keine Arbeitsplätze.


Sträßler - aus einem privaten Eichwald - Fotoalbum

Kurz vom Thema ab zu "Hütten".
Der Egners Franz (Vater von Willi und Hubert) hatte auf der Wiese neben seinem Haus eine solche Hütte stehen. Unser Traum, einmal in einer solchen Hütte zu übernachten, wurde natürlich Wirklichkeit, was wir Buben unbedingt wollten haben wir auch erreicht. Die größte Attraktion dabei aber war eine Armbanduhr mit Leuchtziffern. Das war ein tolles Erlebnis.


Der Egner Franz

Sehr viele Bühlertäler Männer waren als Holzhauer beschäftigt, insbesondere auch im Schifferwald (siehe Anm.)

Während sich der Mann schon sehr früh morgens auf den weiten Weg zum Schifferwald machte, trug ihm seine Frau gegen Mittag das Essen an seine Arbeitsstelle nach! Ich weiß nicht, wie oft ich mich schon als Bub gefragt habe, warum der Mann nicht gleich das Essen mitnimmt, um es dort an einem Feuer zu wärmen. Wie kann man nur zu zweit diesen Weg gehen.!! Ich zweifle noch heute am gesunden Menschenverstand, obwohl ich den Beweggrund kenne: So konnte die Frau auf dem Heimweg ein Bündel Holz mitnehmen!!
"Habe ich jetzt gerade den Thermostat auf 3 gestellt oder sollte ich ihn vielleicht auf 4 stellen?"
Wie sich die Zeiten ändern.


Gertelbach

Im Hotel "Gertelbach" war ein junger Kerl "angestellt", er war ein paar Jahre älter als ich und wir nannten ihn einfach den "Gertelbacher". Angestellt heißt aber nicht, dass er ein Angestellter war, er lebte in einer kleinen Dachschräge, meines Wissens schlief er auf einer "Strohmatratze", hatte einen Tisch und einen Stuhl und evt. einen Schrank, aber sicher keinen eingebauten Wandschrank für seine "Garderobe". Er war für alle einfachen Hilfstätigkeiten im Hotel zuständig und sein besonderes Aufgabengebiet war das Einkaufen und alle Besorgungen im "Dal". Sein Fahrzeug war ein Leiterwagen, mit dem er streckenweise fahren konnte. Dafür war die Strecke vom "Waldeck" bis zum Eichwald bestens geeignet und er beherrschte seinen fahrbaren Untersatz perfekt. Ab Eichwald ging es dann ein Stück weit zu Fuß weiter. Den vollbeladenen Wagen musste er dann bis zur Gertelbach ziehen. Allein schon die Steigung in der Wiedenbach lässt erahnen, was er leisten musste.


Eingang zum Gertelbachtal. Ob das wohl der Leiterwagen des "Gertelbachers" war ???

Uns Buben ging es damals nicht besonders gut (siehe frühere Erzählungen), aber wir fühlten uns im Vergleich mit dem "Gertelbacher", der ab und zu bei uns war, doch sehr bevorzugt. Es ist eben alles relativ, es kommt immer darauf an, von welcher Seite man etwas sieht.

Ein Mann aus der Hundsbach, nein, noch weiter, aus dem Ortsteil Viehläger, marschierte wöchentlich mit einem Rucksack ins Bühlertal, natürlich durch den Eichwald, um einzukaufen. Mit dem voll bepackten Rucksack wieder in die Hundsbach ersetzte mit Sicherheit ein paar Übungen im Fitness-Studio!
Ein anderer, wohnhaft beim Hotel "Plättig", nahm oft den Weg über die Kohlbergwiese, den Henker, den Briefträgerweg, den Längenberg, um über den Sandbuckel ins Tal zu kommen um einzukaufen.


Plättig-Hotel


Am Ende des Briefträgerweges - Blick zum Hof und Schindelpeter

Was ich hier beschrieben habe sind zwar mir bekannte "Einzelfälle", aber doch typisch für die "gute, alte Zeit"! Kein Arbeitgeber wollte jemals wissen, wie seine Leute zur Arbeitsstelle kommen und kein Supermarkt war in der Nähe, in dem man noch am Samstag Abend so gegen 22 Uhr einkaufen könnte, falls man Lust auf einen kleinen Spaziergang hätte.

Anm.: Schifferwald, im Besitz der Murgschifferschaft, Organisation seit 1488! Erlässt strenge Vorschriften über den Handel mit gesägtem Holz. Wo? Schwarzenbach rechter Hand Richtung Hundsbach (Aschenplatz).


Über die Entfernungen vom Bahnhof aus, gab dieses Schild Auskunft

Bei der 700 Jahr - Feier von Bühlertal (2001) wurden beim Festumzug an viele "alte Berufe" erinnert:


Holztransport mit Hornschlitten


Sträßler im Einsatz


Das Sträßler-Team im Bauhof vor dem Umzug
 

Vielen Dank an Hubert !



Gschichtle 74: Wie die Fasenacht wieder zum Leben erwachte
von Hubert Ganter
(24.1.09)
 

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