Gschichtle von früher
Dies erfolgte in Briefform und spätestens
am zweiten Weihnachtsfeiertag war ich damit beschäftigt, mich auch
ausführlich schriftlich zu bedanken, das gehörte sich einfach
so. Wenn dann Julius mal wieder in den Eichwald zu Besuch kam, folgte nochmals
der persönliche Dank. Ob Julius nun wirklich die Geschenke auch
besorgt hatte, glaube ich nicht. Das war wohl eher mein Vater.
Als ich am Ende der Grundschulzeit stand,
war mein größter Wunsch nicht etwa ein neues Teil für meine
Carrera-Bahn oder die Eisenbahn. Nein, ich wünschte mir einen Chemiekasten,
natürlich von Kosmos. Was man damit alles machen konnte
….!!! Den Elektromann besaß ich bereits, aber ein eigenes Chemielabor
im Haus, das war genial.
Am Heiligen Abend konnte ich es kaum erwarten,
bis endlich Bescherung war.
Ein typischer Heiliger Abend in den 60ern im Kreis der Familie (v.l.Tante
Emilie, Tante Lollo, Karin, Reinhard, Birgit,
meine Oma Maria, Gabriele, meine Mutter und vorn natürlich ich
- verdeckt von Karin mein Onkel Sepp)
Schon während des Singens schweifte
mein Blick ständig zu dem Tischchen in der Ecke, wo eigentlich immer
meine Geschenke lagen. Leider befand sich dort kein Paket in der Größe
der Kosmosschachteln.
Aber dann sah ich am Boden noch eine ganz
große Kiste stehen …….
Und tatsächlich ! Es war das Chemielabor
von Kosmos, es war sogar die ganz, ganz große Ausführung in
einer Holzkiste.
Eine noch ältere Ausführung, aber meine Kiste hatte die gleiche
Größe
Am liebsten hätte ich alles gleich in
mein Zimmer getragen und losgelegt mit dem Experimentieren. Ich kannte
mich schließlich schon recht gut aus, denn ein älterer Freund
hatte auch so ein Labor.
Mit dem Umzug in mein Zimmer hatte ich aber
keine Chance ……….. Immerhin konnte ich im Laufe des Abends schon einmal
ein wenig im dicken Handbuch blättern. Nach einer kurzen Nacht (um
24 Uhr war Christmette) ging es natürlich am nächsten Morgen
auch zunächst zur Kirche, als Ministrant hatte man schließlich
viel zu tun.
An Weihnachten ging es natürlich nur mit Fliege oder Krawatte
raus.
Aber nach dem Mittagessen in der Krone (bei der Verwandtschaft) gab es endlich Zeit für mein Labor.
So sah auch etwa der Inhalt meines großen Chemielabors aus. Einige
Flaschen
mussten beim Apotheker oder Drogisten befüllt werden (Säuren,
Laugen).
Aber ingesamt muss man sagen, dass (für heutige Verhältnisse)
Stoffe in dem Kasten waren,
die man heute nicht mehr in Kinderhände gelangen lassen würde.
Der Spiritusbrenner loderte bald vor sich hin („Pass ja auf, dass nichts passiert!“) und schnell waren auch die ersten kleinen Experimente durchgeführt. In meinem Zimmer herrschte schon bald „dicke Luft“. Aber zum Lüften war es einfach draußen zu kalt.
Das Experiment mit Eisen und Schwefel hatte
für reichlich Gestank gesorgt. Ein älterer Ministrant hatte
mir am Morgen den Tipp gegeben, zum Reaktionsprodukt (hört sich gut
an - und war in Wirklichkeit ein „dunkler Klumpen“) etwas Säure hinzu
zu geben. Das tat ich voller Neugier dann auch. Das Ergebnis war absolut
umwerfend!
Es brodelte und knisterte und nach kürzester
Zeit
entwickelte sich ein sehr intensiver
„Duft“ nach faulen Eiern. Kurz gesagt, eine Super - "Stinkbombe" war entstanden.
Ich riss nur noch das Fenster auf und verließ mein Zimmer schnellstens………
Restbestände: Originalflaschen aus meinem Chemiekasten
Das Originalstativ habe ich heute noch
Die folgenden Reaktionen will ich gar nicht
weiter ausführlich schildern. Auf jeden Fall breitete sich der Gestank
in kurzer Zeit über den Flur und das Treppenhaus weiter aus. Sämtliche
Mitbewohner saßen im Wohnzimmer 2 Türen weiter und hatten
schon duftmäßig bemerkt, dass
da ein kleines Genie am Werk gewesen war. Irgend jemand muss dann wohl
auf die Idee gekommen sein, die stinkende Schale in den Hof zu transportieren……….
Es wurde lange gelüftet……………, es wurde
recht frisch im Haus. Die Benutzung des Chemiekastens wurde bis nach Weihnachten
auf höchste Anordnung untersagt.
Aber bereits vor Silvester beschäftigte
ich mich - unter Beachtung aller Sicherheitsregeln - mit der Herstellung
von eigenem Feuerwerk ………
Der Chemiekasten hat mir auf jeden Fall
immer sehr viel Freude gemacht, es war das tollste Geschenk, das ich von
meinem Patenonkel je bekommen hatte.
Später im Gymnasium gefiel mir das
Fach Chemie allerdings gar nicht so sehr (viel zu viel Theorie !!) und
ich wählte es in der Oberstufe ab. Was allerdings nicht verhindern
konnte, dass ich nun seit fast 30 Jahren wieder Chemie in der Hauptschule
unterrichte. Und da lasse ich es auch heute noch oft kräftig stinken
und krachen ……..
Kleiner Kasten für 24,75 DM
Der große Kasten kostete bereits in den 50ern 89,50 DM !
Siehe Originalprospekt
aus den 50ern bei eichwaelder.de