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Gschichtle von früher



Gschichtle 70:
Besondere Weihnachtsdüfte
vom Webmaster
(25.12.08)


Wenn ich die Gschichtle von Hubert über die „schweren Zeiten“ lese, dann komme ich zu dem Schluss, dass es uns Kindern der 50er, doch wirklich richtig gut ging. Ich wurde in der Wirtschaftswunderzeit geboren, und es fehlte mir meinem Empfinden nach an nichts. Und dafür bin ich  auch sehr dankbar.
An Weihnachten durfte man sich etwas wünschen, und die Wünsche gingen auch oft oder meist in Erfüllung.
Als ich schon etwas älter war, wusste ich natürlich auch, dass nicht das Christkind, sondern die leibliche Verwandtschaft für die Geschenke verantwortlich war. Und so durfte ich meinem Patenonkel Julius immer Anfang Dezember einen besonderen Wunsch mitteilen.

Tante Gina und Patenonkel Julius lebten in Würzburg

Dies erfolgte in Briefform und spätestens am zweiten Weihnachtsfeiertag war ich damit beschäftigt, mich auch ausführlich schriftlich zu bedanken, das gehörte sich einfach so. Wenn dann Julius mal wieder in den Eichwald zu Besuch kam, folgte nochmals der persönliche Dank. Ob  Julius nun wirklich die Geschenke auch besorgt hatte, glaube ich nicht. Das war wohl eher mein Vater.
Als ich am Ende der Grundschulzeit stand, war mein größter Wunsch nicht etwa ein neues Teil für meine Carrera-Bahn oder die Eisenbahn. Nein, ich wünschte mir einen Chemiekasten, natürlich von Kosmos. Was  man damit  alles machen konnte ….!!! Den Elektromann besaß ich bereits, aber ein eigenes Chemielabor im Haus, das war genial.

Am Heiligen Abend konnte ich es kaum erwarten, bis endlich Bescherung war.

Ein typischer Heiliger Abend in den 60ern im Kreis der Familie (v.l.Tante Emilie, Tante Lollo, Karin, Reinhard, Birgit,
meine Oma Maria, Gabriele, meine Mutter und vorn natürlich ich - verdeckt von Karin mein Onkel Sepp)

Schon während des Singens schweifte mein Blick ständig zu dem Tischchen in der Ecke, wo eigentlich immer meine Geschenke lagen. Leider befand sich dort kein Paket in der Größe der Kosmosschachteln.
Aber dann sah ich am Boden noch eine ganz große Kiste stehen …….
Und tatsächlich ! Es war das Chemielabor von Kosmos, es war sogar die ganz, ganz große Ausführung in einer Holzkiste.

Eine noch ältere Ausführung, aber meine Kiste hatte die gleiche Größe

Am liebsten hätte ich alles gleich in mein Zimmer getragen und losgelegt mit dem Experimentieren. Ich kannte mich schließlich schon recht gut aus, denn ein älterer Freund hatte auch so ein Labor.
Mit dem Umzug in mein Zimmer hatte ich aber keine Chance ……….. Immerhin konnte ich im Laufe des Abends schon einmal ein wenig im dicken Handbuch blättern. Nach einer kurzen Nacht (um 24 Uhr war Christmette) ging es natürlich am nächsten Morgen auch zunächst zur Kirche, als Ministrant hatte man schließlich viel zu tun.

An Weihnachten ging es natürlich nur mit Fliege oder Krawatte raus.

Aber nach dem Mittagessen in der Krone (bei der Verwandtschaft) gab es endlich Zeit für mein Labor.


So sah auch etwa der Inhalt meines großen Chemielabors aus. Einige Flaschen
mussten beim Apotheker oder Drogisten befüllt werden (Säuren, Laugen).
Aber ingesamt muss man sagen, dass (für heutige Verhältnisse) Stoffe in dem Kasten waren,
die man heute nicht mehr in Kinderhände gelangen lassen würde.

Der Spiritusbrenner loderte bald vor sich hin („Pass ja auf, dass nichts passiert!“) und schnell waren auch die ersten kleinen Experimente durchgeführt. In meinem Zimmer herrschte schon bald „dicke Luft“. Aber zum Lüften war es einfach draußen zu kalt.

Das Experiment mit Eisen und Schwefel hatte für reichlich Gestank gesorgt.  Ein älterer Ministrant hatte mir am Morgen den Tipp gegeben, zum Reaktionsprodukt (hört sich gut an - und war in Wirklichkeit ein „dunkler Klumpen“) etwas Säure hinzu zu geben. Das tat ich voller Neugier dann auch. Das Ergebnis war absolut umwerfend!
Es brodelte und knisterte und nach kürzester Zeit
 entwickelte sich  ein sehr intensiver  „Duft“ nach faulen Eiern. Kurz gesagt, eine Super - "Stinkbombe" war entstanden. Ich riss nur noch das Fenster auf und verließ mein Zimmer schnellstens………


Restbestände: Originalflaschen aus meinem Chemiekasten


Das Originalstativ habe ich heute noch

Die folgenden Reaktionen will ich gar nicht weiter ausführlich schildern. Auf jeden Fall breitete sich der Gestank in kurzer Zeit über den Flur und das Treppenhaus weiter aus. Sämtliche Mitbewohner saßen im Wohnzimmer 2 Türen weiter und hatten
schon duftmäßig bemerkt, dass da ein kleines Genie am Werk gewesen war. Irgend jemand muss dann wohl auf die Idee gekommen sein, die stinkende Schale in den Hof zu transportieren……….
Es wurde lange gelüftet……………, es wurde recht frisch im Haus. Die Benutzung des Chemiekastens wurde bis nach Weihnachten auf höchste Anordnung untersagt.
Aber bereits vor Silvester beschäftigte ich mich - unter Beachtung aller Sicherheitsregeln - mit der Herstellung von eigenem Feuerwerk ………
Der Chemiekasten hat mir auf jeden Fall immer sehr viel Freude gemacht, es war das tollste Geschenk, das ich von meinem Patenonkel je bekommen hatte.
Später im Gymnasium gefiel mir das Fach Chemie allerdings gar nicht so sehr (viel zu viel Theorie !!) und ich wählte es in der Oberstufe ab. Was allerdings nicht verhindern konnte, dass ich nun seit fast 30 Jahren wieder Chemie in der Hauptschule unterrichte. Und da lasse ich es auch heute noch oft kräftig stinken und krachen ……..


Kleiner Kasten für 24,75 DM

Der große Kasten kostete bereits in den 50ern 89,50 DM !


Siehe Originalprospekt aus den 50ern bei eichwaelder.de



Gschichtle 71:
Ein Entschuldigungsschreiben ist überfällig!
und
"Er konnte singen ! Und ich nicht !!"
von Hubert Ganter
 

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