www.eichwaelder.de

Gschichtle von früher



Gschichtle 69:
"Wohnst du noch - oder lebst du schon ?"
von Hubert Ganter
(20.12.08)


Würde man diesen Werbeslogan auf frühere Verhältnisse anwenden, dann müsste ich tief betroffen feststellen:
           "Haben wir überhaupt gelebt?"
Wir haben, ganz einfach ausgedrückt, mehr gelebt und dafür ein bisschen weniger gewohnt!
Wir haben, von der Generation vor meiner Zeit gar nicht zu sprechen, mit eisernem Willen und Durchhaltevermögen überlebt und das Beste aus allem gemacht.
Auf wie viel Quadratmetern welche Möbel hinter wie großen Fensterfronten herumstehen und ob die Teppiche tatsächlich auch echt sind ist nicht gleichbedeutend mit Lebensqualität. Entscheidend ist, wie man damit umgeht und was jeder aus seinem Leben macht.

Hier ein paar Erinnerungen an die Zeit vor Ikea:

Kinderzimmer:
Ich bin zwar der deutschen Sprache mächtig und, was Ausdrucksmöglichkeiten angeht nicht auf den Kopf gefallen, aber der Begriff "Kinderzimmer" war mir absolut nicht geläufig, niemals untergekommen, bis eines Tages Brunhilde sagt: "Wenn du mal ausgezogen bist machen wir aus deinem Zimmer ein Kinderzimmer." Alles OK und bestens, da saß dann 1/2 Dutzend oder ein ganzes Dutzend Puppen, alles schön eingerichtet. Das war jetzt ein richtiges Kinderzimmer, wie man es sich vorstellt.

Mein, nein unser "Kinderzimmer": zwei Betten,    ein Kleiderschrank,   ein Nachttischchen
                                                 kein Ofen,        kein Tisch,             keine Gardinen -
aber vor allem dicke Eiskrusten, nein, sehr schöne Eisblumen am Fenster!

Eisblumen am Fenster - richtige Kunstwerke

Wer kann sich heute noch so etwas leisten?
Dank aufgeheiztem und gut umwickelten Ziegelstein haben wir auch ohne Thermostat überlebt, sonst könnte ich jetzt nicht
hier (mit "Thermostat!") sitzen und berichten.

Wohnzimmer:
Großer, runder Tisch, ein "Kredenz" (Anrichte/Sideboard),darauf ein richtiges Radio (kein Volksempfänger),ein "Sessel" und eine große Vitrine. Aber eine intakte Familie rund um den Tisch.

Sepp Schindler, Brunhilde, lothar, karola Müller, hubert, Frau Frieda Ganter, Herr Kolb (Bahnhof Ober-Bühlertal), Walter

Eine besondere Erinnerung:
Eines Abends sagt mein Vater: "Hubert, geh jetzt gleich ins Bett, wir bekommen später noch Holz, dann musst du nicht helfen!"
Am nächsten Morgen war das "Holz" da, und zwar im Wohnzimmer. Ein Wohnzimmerschrank, wir sagten Büfett, ein neues Kredenz und später, ich glaube auf Weihnachten, ein neues Radio.

Das Wohnzimmer wurde nicht jeden Tag geheizt, wer hätte auch darin sitzen sollen. Zum "Sitzen und Ausruhen" reichte das Aufheizen mit einem Kohleofen am Wochenende völlig aus.

"Gute Stube" bei Ganters an Weihnachten natürlich beheizt !
Frieda Ganter, Oma, Hubert, Johann Ganter
Vor dem Kirchenmodell: Bruno, Lothar, Walter - links ein Vertiko

Küche:

Die Küche war, wie bestimmt bei allen meinen Zeitgenossen, der eigentliche Wohnraum und der Mittelpunkt der Wohnung. Hier war immer warm, da war es gemütlich. Der Küchenherd sozusagen ein Stützpfeiler der ganzen Wohnung.


Frau Ganter und Hubert - links der unverwüstliche Wasserstein

Hausaufgaben machen im "Kinderzimmer"? So saß ich am Küchentisch, und dass die Mutter in der Nähe war, war ganz praktisch,
wenn es wieder mal hieß: "Bilde jeweils 5 Sätze in den 4 Fällen!"

Kurze Nachhilfe für euch:

1.Fall:Wer-Fall     -  wir fragen : wer oder was ?   z.B. der Hund ist groß                      wer oder was ist groß?            der Hund
2.Fall:Wes-Fall     -  wir fragen: wessen?                    die Leine des Hundes ist lang     wessen Leine ist lang ?            des Hundes
3.Fall:Wem-Fall   -  wir fragen : wem ?                      die Leine gehört dem Hund        wem gehört die Leine?            dem Hund
4.Fall:Wen-Fall    -  wir fragen : wen oder was?          ich sehe den Hund                     wen oder was sehe ich?          den Hund
Kleiner Spass und ein bisschen Spott. Die Schüler heute sagen zwar ganz gelehrt Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ, aber ob sie die vier Sätze auch richtig bilden können und ob sie die Hausaufgabe überhaupt machen, sei dahingestellt.


Tante, Lothar, Walter; und Mutter Frieda Ganter

In der Küche wurde gebastelt, gespielt und vor allem: dort wurden auch die Skier gewachst!!
Unsere Skier hatten keinen Lack auf der Lauffläche und auch keine Stahlkanten, aber dafür hatten sie, fast stündlich, richtige "Stollen" und das besonders bei nassem Schnee. Bei trockenem Pulverschnee war die Zeitspanne, in der wir fahren konnten, deutlich länger.

Da gab es viel Material zum Wachsen in Ganters Hof

Da half nur das Wachsen mit Stearin, mit tropfenden Kerzen war das ganz einfach. Aber wie die Tropfen gleichmäßig verteilen?

Wir legten die Skier über zwei Stuhllehnen und fuhren mit einem Kohlebügeleisen, das wir auf der Herdplatte aufgeheizt hatten,
darüber.

Typisches "Sportgerät" und Kohlebügeleisen

Es stiegen mächtige Qualmwolken auf, aber im Moment nur!! von den Skiern, denn das mit Wachs verschmierte Bügeleisen musste erneut auf den Herd gestellt werden und somit qualmte es an zwei Stellen. Diese "Prozedur" für 2 Paar Ski wurde, je nach Schneelage, mehrmals wiederholt und ich frage mich heute, wie meine Mutter das alles überstanden hat. Um durchzuhalten hatte sie wohl nur einen Wunsch:

"Hoffentlich gehen sie bald wieder und kommen lange nicht mehr heim!"


Hubert mit Skiausrüstung komplett, plus Schlitten und "Fahrzeug"



zu Gschichtle 70: "Besondere Weihnachtsdüfte" vom Webmaster (25.12.08)
 
 

 zur Übersicht Gschichtle
 

 home