Gschichtle von früher
Die letzten Kriegstage, erlebt im Eichwald
(Mitte April 1945 )
Was ich heute berichten möchte, ist
in etwa chronologisch
aufgebaut, absolut authentisch und vor allem
durch mich, wenn auch als Kind, als Augenzeuge erlebt. Ich bemühe
mich, möglichst kurz und prägnant zu berichten.
Hotel Schindelpeter bietet seine Vorräte
an Wein an, wir holen mit
Milchkannen und Flaschen Wein.
In der Schule Hof wird ein Lager "geplündert".
Bruno und ich wollen auch
etwas holen, finden
nur noch eine, wenn auch neue, Kloschüssel
vor. Transport mit dem
Leiterwägelchen nach Hause. – Auf Kommando
meines Vaters Transport umgehend zurück!!
Absolute Verdunkelungs-Vorschrift. Gehe
bei Dunkelheit bis zum Denni, um
Milch zu holen.
Auf dem Breitmattplatz ist ein Lager der
deutschen Soldaten. Wir sind
ständig dort. Ein Bub klaut eine Maschinenpistole
und wird im Eichwald von Soldaten
schließlich gestellt.
In s´Wecke Hof steht ein defekter
Bus für Soldatentransport. Ein kleines
Kettenfahrzeug - vorn wie ein Motorrad mit
Lenker schleppt ihn ab. Wir finden eine große Menge Pulver, offensichtlich
eine Sprengladung in Form eines runden Säckchens und machen in s´Wecke
Hof ein kleines Feuer. Zumindest anfangs !
Die älteren Buben werfen immer kleine
Mengen Pulver ins Feuer, bis ich
als Jüngster den kleinen Baumwollsack
vollends ins Feuer werfe. Kein Kommentar.
Offiziere richten bei uns im großen
Atelier ein Stabskommando ein mit
einem riesen Arsenal an Kartenmaterial.
Einer dieser Offiziere postiert sich oberhalb
des Eichwäldchens, um mit
seinem Karabiner auf Flugzeuge zu schießen.
An der Hauptstraße Höhe Haus
Schindler wird eine Panzersperre mit dicken
Baumstämmen, in einen tiefen Graben
versenkt, gebaut, aber glücklicherweise im
entscheidenden Moment nicht vollends geschlossen.
Das Haus Schindler und Umgebung wären durch Panzergranaten durchlöchert
worden.
Soldaten postieren zwischen Haus Fellmoser
und Schwesternhaus ein Geschütz, gerichtet auf Panzer, die bald bei
"Braunschneiders" auftauchen werden.
EnergischerProtest der Nachbarn, die Häuser
Fellmoser, Ganter, Weck und das Schwesternhaus wären wie ein Schweizer
Käse von Granaten durchsiebt worden.
Besonderer Hinweis auf den Mesner, Herr
Steimel, der sein Leben
buchstäblich dafür eingesetzt
hat, dass nicht nur unsere Häuser, sondern auch wir selbst noch einmal
davon gekommen sind.
Die Soldaten gaben schließlich nach
und zogen im letzten Moment
ab! Einzelheiten als Augenzeuge allenfalls
im persönlichen Gespräch, aber nicht hier.
Soldaten werfen ihre Gewehre und Pistolen
bei der Brücke im Eichwald in
den Bach.
Schade , wir hätten gerne zumindest
die Pistolen wieder geholt, durften
natürlich nicht!
So genannte "Kettenhunde" d.h. Militärpolizei,
bringen einen
Fahnenflüchtigen vor ein Schnellgericht,
ein Kriegsgericht, das im Eichwald stattfindet (Datenschutz ).Der Verurteilte
wird abgeführt und im Eichwald erschossen (Datenschutz). Pfarrer Schneble
leistete priesterlichen Trost und Beistand.
Herr Pfarrer Schneble und Frau Zander verlassen
das Pfarrhaus und kommen
zu uns in das Arbeitszimmer.
Von dort sehen wir die ersten Panzer anrollen.
Sie erreichen den Eichwald.
Albert Stolz geht zur Haustüre hinaus
und schwenkt ein weißes Tuch und
will Richtung Brücke. Er kommt nur
bis zum Haus Weck, wird mit Gewehrschüssen zurückgejagt. Panzer
fahren die Eichwaldstraße hoch.
Dazwischen bilden Soldaten eine Kette, Gewehre
mit aufgepflanzten Bajonetten im Anschlag. Ein Marokkaner kommt zu uns
ins Zimmer und richtet das Gewehr auf uns, er durchsucht das Haus und geht
wieder.
Einen Tag später wieder Panzer, aber
wir Buben trauen uns auf die Straße.
Ein Panzerkommandant mit Turban schwingt
einen langen, geschwungenen Säbel
gegen uns.
Der Säbel fällt auf die Straße.
Ich renne hin, nehme den Säbel an der
Klinge, gehe bis unmittelbar an die Panzerketten
heran und reiche den Säbel hoch, damit sofort damit nach mir geschlagen
wird.
Zwischen Schindelpeter und Waldeck kommt
ein Panzer von der Straße ab
und bleibt auf einer kleinen Einfahrt liegen.
Die Männer der Nachbarschaft werden
zur Wache unter Todesandrohung
verpflichtet, sollte dem Panzer etwas passieren.
Größere Lagerplätze der
Soldaten waren das Gelände zwischen dem Bach und der
Hauptstraße, das gesamte Gelände
von "Schmidtpeters", beim Hotel
Schindelpeter und vor allem hinter dem Sägewerk
Baumann im Hof.
"Schmidtpeters" - Gelände
Sägewerk Baumann
Wichtige Anmerkung:
Bei den Soldaten handelte es sich keinesfalls
um Franzosen im
eigentlichen Sinne.
Die Kampftruppen der ersten Welle waren
ausschließlich Marokkaner.
Solange diese Marokkaner im Eichwald waren,
ging es mir, und uns, so gut wie dann
viele, viele Jahre nicht mehr. Sie brachten
reichlich Essen, das meine Mutter zubereiten musste und ich durfte zwischen
diesen exotischen Männern mit Turban und Messern am Tisch sitzen und
mich satt essen.
Wenn ich im Lager uns gegenüber unter
den Soldaten herumstreunte, gab es
auch mal ein Stück Schokolade und selbst
Zigaretten haben wir
gebettelt. Zigaretten? Die habe ich umgehend
bei Anna, die auf der Treppe saß und rauchte, gegen Schokolade eingetauscht.
Über Nacht waren die Soldaten fort.
Das Geschirr, das sie sich in den
Häusern im Eichwald zusammengeholt
hatten, lag ungespült und verstreut bei den Baracken hinter
der Halle.
Unser Geschirr stand exakt gespült
auf dem Fenstersims. Es war eben so.
Als später die eigentlichen französischen
Besatzungstruppen kamen begann
für uns alle eine sehr schlimme Zeit
der Not und vor allem der Hunger.
Nach Abzug der ersten Truppen fanden wir
auf dem Lagerplatz (Alois
Karcher) eine ganze Hammelkeule und eine
"Granate ". Ganz vorsichtig wickelten wir sie aus und es kam eine große
Flasche mit Tinte heraus!
In der folgenden Zeit wurden Fische mithilfe
von Handgranaten
"erlegt" ,jedes Huhn, das gesichtet wurde,
wurde geschossen (Moslems) und für uns Kinder war diese erste Nachkriegszeit
irgendwie auch interessant und aufregend.
Die Schule Hof war von Marokkanern besetzt.
Wenn sie im Hof saßen und aus
Konservendosen oder Kännchen aßen,
setzten wir uns ganz nahe neben sie in der
Hoffnung, dass ein kleiner Rest übrig
bleiben könnte. Oft hat das geklappt und wir haben das "Geschirr"
in dem kleinen Bach neben dem Schulhaus gespült und gar mit
Sand ganz glänzend gerieben. Ein Satz bleibt mir wörtlich in
Erinnerung:
Gerhard spricht perfekt französisch
und sagt beim Essenbetteln:
"Papa Schneider! Du mir m a ng e r !"
Im Haus Fellmoser (Ganz )zieht ein hoher
Offizier ein.(Colonel = Oberst ),
Continis müssen ihre Villa verlassen
und bewohnen eine Baracke Richtung
Steinbruch.
Nach einem Aufruf liefern wir unser
Radio beim Rathaus ab. Hinter dem
Rathaus förmlich ein Gebirge aus Radios.
Weiterer Aufruf (unter Strafandrohung )
alle Waffen abzuliefern.
Bruno und ich tragen den Karabiner meines
Vaters (Volkssturmmann) zum
Rathaus.
Stellvertretend für die folgende Notzeit
zwei Beispiele:
Herr Wenzler (Schülerspeisung) bringt
uns von einem Höhenhotel
verschimmeltes Brot für die Hasen.
Mein Vater schneidet für mich die Krusten weg und ich esse sie!
Bruno und ich gehen "Äpfelauflesen".
Strecke: über Klotzberg, hinunter in
die Rheinebene, bis Hatzenweier, über
Klotzberg zurück ins Obertal. Ausbeute für mich: ein kleines
Körbchen angefaulter Äpfel.
Rechnet mal die Strecke aus und die verbrauchten
letzten Kalorien, die
noch im Bauch waren.
Zum Abschluss: Sollte Euch einmal Torte,
Schinken, Schweinefilet, Rehrücken oder Kaviar o.ä. überhaupt
nicht mehr schmecken, dann lest doch einfach hier ein paar Zeilen und es
geht Euch gleich wieder besser.
Bestimmt!!!
Anhang:
Originaldokumente:
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Wir mussten unseren Radio-Apparat zum Rathaus bringen.
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Quittung !
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Quelle: "Begegnungen" - Lese- und Arbeitsbuch zur Geschichte der Stadt
Bühl, Herausgeber: Stadt Bühl - Realschule Bühl
Weitere Gschichtle folgen !
Ihr dürft mir gern welche
schicken !!