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Gschichtle aus dem Eichwald



Gschichtle 32:
Im Heidelbeerwald
von Elvi (Elvira Frey)
ergänzt von Hubert Ganter 19.8.08

(25.8.2007)



Früher hatte das Pflücken von Heidelbeeren für die Einwohner von Bühlertal und den umliegenden Gemeinden eine große Bedeutung. Im Sommer stellte es ein gutes zusätzliches Nebeneinkommen dar.

Seit Generationen also wurden Heidelbeeren , im Volksmund „Heiwer „ genannt,, gerafflet. Das „Raffeln“ geschah mit einem eigens dafür hergestellten Gegenstand, der Heidelbeerraffel. Sie war an drei Seiten aus Holz, hatte oben einen Griff , der Boden bestand aus feinen Drähten, die eng nebeneinander angebracht waren, vorn etwas nach oben gebogen , so dass keine Heidelbeeren heraus fallen konnten.

Mit dieser Raffel also fuhr man von unten nach oben vorsichtig am Heidelbeerstock entlang. Blättchen vom Stock sollten keine mit abgerissen werden, zum einen um den Stock nicht zu beschädigen, zum anderen um gute Ware zum Verkauf abzuliefern. Von der Raffel wanderten die Heidenbeeren nämlich in eine Blechdose, die man mit einer Schnur um den Bauch gebunden hatte. War diese voll, so wurde sie in einen Spankorb, der unmittelbar in der Nähe platziert war, entleert. Doch später mehr dazu.


Heidelbeeren wuchsen bevorzugt dort, wo es Licht, Sonne und keine hohen Bäume gab, also in Schonungen und hellen Plätzen. Kannte man Heidelbeerplätze, die einen guten Ertrag versprachen, waren diese absoluter Schweigepflicht unterworfen. Man wollte natürlich nicht, kannte man nun solch einen Platz, dass andere Leute davon erfuhren, und einem womöglich zuvor kamen.

Nach dieser kleinen Einführung nun zu der eigentlichen Geschichte im „Heiwerwald“, Ende der 60iger und Anfang der 70iger Jahre.
Früh morgens so um 4 Uhr fuhren wir los im roten VW Käfer, meine Mutter am Steuer, sie hatte damals schon als junge Frau den Führerschein und konnte auch mit Anhänger fahren. Mit im Auto waren mein Vater, meine Oma, ( s´Riehles Lene, bekannt schon vom Weihhennen binden) s´Raubers Hildegard (eine alte Schul- Freundin von Oma) und ich. Damals gab es noch keine Sommerzeit und es wurde früher hell, und als wir auf der Höh oben ankamen graute schon der Morgen.

Es gab drei Hauptplätze wo wir immer fündig wurden, einmal am Seibelseckle, dort wurde geparkt und man musste noch einige Kilometer zu Fuß gehen, mit all den
Spankörben , Raffeln, Blechdosen , und der Kühltasch mit Vesper und Getränken drin, was schon beschwerlich war, denn der Weg zurück musste ja mit den vollen Spankörben bewältigt werden. Also lief man in den Biberkessel, bis dann die besagten Schonungen und Pflanzengärten , einer mit Namen Tanzplatz kamen, und es Heidelbeeren in Hülle und Fülle gab.

Ein anderes ertragreiches Gebiet war in Herrenwies, wir parkten auf der Schwellibruck und es ging wieder auf langen Weg in den Wald zu den Viehlagern. Und zu guter letzt wurde auch die Hundsbach angefahren, auch dort war ein langer Fußmarsch angesagt Richtung Biberkessel zu den Pflanzengärten. Dort musste man über Leitern eine Umzäunung überwinden, was eigentlich verboten war.

Oma Lene und Hildegard riefen dann immer "och guck, alles voll mit Heiwer, da war noch keiner vor uns, alles klecheblau", und sie fingen gleich an mit raffeln, jeder wollte natürlich der Schnellste sein, und den Spankorb zuerst voll haben. Mein Opa Waldemar, bekannt als Zinke-Schlembeles Waldi, hatte für mich als Kind extra eine kleine Kinderraffel gefertigt, und ich kann mich noch gut erinnern, dass ich mächtig stolz drauf war und es mir immer großen Spaß gemacht hat , mit den Erwachsenen  in den Heidelbeerwald gehen zu dürfen.

Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass wir nie den Heimweg antraten, bevor nicht alles Spankörbe voll waren, und oftmals war es schon Nachmittag, bis wir ins Bühlertal zurückkehrten. Am schönsten aber war  das Picknick in den Pausen, ein Teppich wurde ausgebreitet und alle saßen beieinander und ließen sich’s schmecken, es gab belegte Brote mit Wurst, Käse, gekochte Eier und Sprudel, für Papa gab es glaube ich Schorli und auch für Opa, der aber nicht immer mit dabei war, wegen dem Platz im Auto.

Gegen Mittag wurde es immer sehr heiß, auch ein Grund, warum wir schon um 4 Uhr morgens los fuhren, denn dort wo Heidelbeeren wuchsen, gab es ja keinen Schatten und wir hatten Strohhüte und Kopftücher dabei. Und es kamen die Schnaken. Die fraßen einem bald auf, trotz des Schnakenmittels, mit dem man sich schon in der Früh eingerieben hatte. Ab und zu hatte man auch mal eine Zecke, aber das war früher nicht so gefährlich wie heute, auf jeden Fall gab es nie gesundheitliche Probleme damals.

Als alle Körbe  endlich voll waren, traten wir den Rückweg an, die Hände blau und klebrig, zerstochen von den Schnaken, etwas müde inzwischen und schwer beladen mit den vollen Spankörben zu 20 und 10 Pfund. Als alles auf dem Anhänger verstaut war , fuhren wir hinab ins Tal und gleich zur Sammelstelle in die Hauptstraße zum „Kulle-Fritz“ in den alten Laden gegenüber vons Kerne Sägemühle, heute das Haus des Gastes. Der Kulle Fritz nahm die Heidelbeeren an und wog sie mit Hilfe seiner Frau Klara, auch eine Schulkameradin von Oma Lene und s´Raubers Hildegard, und es kamen so Banderolen um die Griffe der Körbe und Fritz zahlte das Geld aus.Einen Korb behielten wir immer selbst, für Kuchen und so. Es wurde natürlich auch ein Schwätzchen gehalten , man kannte sich  und alles ging recht familiär zu an der Sammelstelle.

Als ich vor einigen Tagen meine Eltern befragte, wie hoch denn der damalige Preis für ein Pfund Heidelbeeren gewesen sei, da schieden sich wieder mal die Geister. Mama meinte so 80 Pfennige oder ein bisschen mehr vielleicht, und Vater war der Meinung es hätte sich um 2 Mark gehandelt. Also genau konnte ich es nicht mehr in Erfahrung bringen, auf jeden fall meinten Beide, es hätte sich gut gelohnt und es wäre schönes Geld gewesen. Was ich geraffelt hatte, den Betrag durfte ich natürlich behalten.

Als wir dann beim Kulle Fritz mit dem Ausladen und Wiegen fertig waren gings heim und die blauen Hände wurden mit eigens dafür angeschaffter Zitronenseife aus einer Tube eingerieben. Die musste eine Weile einwirken und dann war alles wieder schön sauber.

Meine Eltern erzählten mir, dass sie schon mit ihren Eltern in den Heidelbeerwald mit mussten und damals lief man in den schlechten Zeiten oft von den Tälern auf die Höh in den Wald, und das Geld wurde damals wahrhaftig zum Leben im Sommer gebraucht.So dramatisch wie zu Kriegszeiten und danach war es natürlich in den 60iger Jahren nicht mehr. Aber es hat Spaß gemacht und war eben bei uns ein fester Bestandteil des Sommers´, in den Heidelbeerwald zu gehen. Heute ist das nur noch Erinnerung an eine andere, aber schöne Zeit, und vereinzelt sieht man manchmal an der B 500 Durchreisende, die anhalten und ein paar Beeren am Straßenrand pflücken. Der Wald und die Natur haben sich nach 40 Jahren ganz klar verändert, die Plätze sind längst zugewachsen, und  Heidelbeeren sind auch nicht mehr so der Renner wie früher. Inzwischen gibt es ja in den Geschäften und Supermärkten alles an Obst aus der ganzen Welt und zu jeder Jahrszeit zu kaufen. So jedenfalls erkläre ich mir den Wandel der Bedeutung heimischer Früchte.

Nun, das war die Geschichte aus dem Heiwerwald, wie ich sie erlebt habe und vielleicht konnte ich den einen oder anderen Leser mitnehmen auf die Reise in die Vergangenheit, oder einfach nur alte Erinnerungen wecken….

im August 2007
Elvi eine Bühlertälerin

Vielen Dank an Elvi !!!!

Ergänzung am 19.8.08:

Als eifriger Leser der "Gschichtle"aus dem Eichwald bin ich auch auf die Sache mit dem "Heiwersuchen" gestossen. Für mich war das eine sehr schöne Erinnerung daran, wie wir Buben, allerdings gut 20 Jahre früher, beim "Heiwersuchen" waren. Elvi hat das gut beschrieben, fuhr aber wahrscheinlich nicht auf der Pritsche eines offenen LKWs hinauf bis zum Sand und vor allem hatte sie mit absoluter Sicherheit keine "B u c ke l b e n n "dabei, was für uns aber eine Selbstverständlichkeit war!
 "Buckelbenn"
         Buckel:   Erhebung,Hügel,Verformung,steht auch für das Wort  R ü c k e n
 
         Benn:  abgeleitet von Behälter, Bütte, Bottich, sprich Gefäss

"Buckelbenn"also auf Schriftdeutsch:

Ein auf dem Rücken zu tragender, mit einem Deckel versehener Transportbehälter, der es ermöglichte, die Hände für weitere Dinge wie Spankörbe, Essenkännchen u.ä. frei zu haben.

Originale Dokumente und Bauanleitungen für diese Erfindung sind leider nicht mehr vorhanden. Ich habe keine Kosten und Mühen gescheut,die originale "Patentschrift" vom 1.April 1908
durch eine Grafik-Designerin möglichst originalgetreu gestalten zu lassen.


Viele Grüße aus Karlsruhe
Hubert
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Vielen Dank !!!!! an Hubert und Mitstreiter !!!

Wer baut die erste Buckelbenn nach ??????



zum nächsten Gschichtle vom 30.9.07
"Ein Geschwisterchen – dank Klapperstorch"
von Renate Baumann

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