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Gschichtle aus dem Eichwald



Gschichtle 22
Tante Emma hatte keine Chance

75 Jahre hatten wir ein Geschäft !




Als mein Opa Reinhard Weck 1910 im Eichwald einen Neuanfang startete, hatte er zuvor sehr weitsichtig geplant. Er stellte die Existenz der Familie auf neue Grundlagen. Verdiente er zuvor seinen Lebensunterhalt allein mit seinem Blechnergeschäft im Untertal, kam jetzt ein Kaufhaus dazu. Der Standort war auch gut gewählt, entwickelte sich der Eichwald mit der neu erbauten Notkirche doch ab diesen Jahren zu einem rasch wachsenden Ortsteil.

Der 1912 neu gegründete Brennstoffhandel stellte bald ein weiteres Standbein dar.


Reinhard Weck

Das Kaufhaus Weck war ein typischer Laden der Zeit. Neben Lebensmitteln, die vielfach „offen“ verkauft wurden, gab es Haushaltswaren, Seife, Waschmittel, Werkzeuge, Kleidungsstücke, Spielwaren, Postkarten, Rauchwaren …………….
„Offen“ verkauft heißt in diesem Fall, dass sich viele Waren, wie Zucker, Mehl, Salz, Süßigkeiten, Gurken, Senf, Essig, Öl ….. in Holz-, Glas- oder Tongefäßen befanden. Es wurde dann nach dem Kundenwunsch abgewogen.
In unserem Keller befand sich der Großteil des Warenlagers, denn Kühlmöglichkeiten gab es zunächst ja kaum. Im Keller stand auch ein großes Petroleumfass, dass über eine Leitung Verbindung  zum Ladengeschäft hatte. Über eine Pumpe konnte man im Laden die mitgebrachten Petroleumkännchen füllen.


1942


Emilie, Tante Maria und Oma Sophie


Kleidungsstücke im Schaufenster

Aber auch im obersten  Geschoss befand sich nochmals ein Lagerraum, wo verschiedene Waren gelagert wurden. Im Speicher war ein zerlegbarer Verkaufsstand deponiert, der bei Festen (z.B. Michelsfest) und anderen Gelegenheiten zum Einsatz kam.
Der Gemischtwarenladen mit einer breiten Warenpalette war in Dörfern in der ersten Hälfte des Jahrhunderts typisch. Von ihm hoben sich eigentlich nur Metzgerei und Bäckerei ab, weitere Spezialisierungen traten meist erst in den 50igern auf.
Mein Oma Sophie führte das Lebensmittelgeschäft, mein Opa war als Kaufmann, Blechner und Brennstoffhändler gefordert. All das reichte in den oft schweren Zeiten (1.Weltkrieg, Weltwirtschaftskrise……) nicht aus, um die wachsende Familie ernähren zu können. So ging man auch noch anderen Nebentätigkeiten nach. Z.B. war man als Stromableser tätig, nachdem in den 20iger Jahren die Elektrizität verfügbar war. Bis zum Bau des Schwesternhauses (1929) war das 1. Obergeschoss zudem an die Ordensschwestern vermietet.
1937 starb mein Großvater. Meine Großmutter musste zusammen mit den Kindern das Geschäft am Leben erhalten.


Emilie, Oma Sophie und Untermieterin in den 40er Jahren.
Nach dem 2.Weltkrieg mit allen seinen Nöten und leeren Warenregalen, entwickelten sich die Geschäftsbereiche gut. Tante Emilie und mein Vater übernahmen nach dem Tod meiner Oma Sophie 1954 Haus und Geschäft. Während Emilie sich um den Gemischtwarenladen kümmerte, war mein Vater für den Brennstoffhandel und das Büro zuständig. Bei der Firma Brenzinger in Bühl hatte er vor dem Krieg seine Kaufmannslehre abgelegt. Dort hatte er auch meine Mutter kennengelernt.

Reinhard und Gabriele - Fasnacht 50iger
Da sich der Gemischtwarenladen in den 50igern sehr gut anließ, entschlossen sich die Geschwister K.u.E. Weck (wie die Firma nun hieß) bald, das Ladengeschäft umzubauen.

Vor dem Umbau
1959 erfolgte dann ein großzügiger Umbau. Das neue  moderne Geschäft kam bei den Kunden ausgezeichnet an.


Mein Vater hatte in jenen Jahren so auch die Möglichkeiten, sich kommunalpolitisch sehr stark zu engagieren. Er war oft mehr im Rathaus beschäftigt (als Vizebürgermeister), als im eigenen Geschäft. Anfang der 60iger Jahre trat man der Kette VIVO („Viele Vorteile“) bei, was einen günstigen und problemlosen Einkauf garantierte.


Rabattmarkenbuch

Frischdienstwagen von VIVO 50iger
siehe auch: Bei uns im Tante Emma-Laden verteilt: "VIVO - Kundenzeitschrift von 1959"

Meine Cousine Karin arbeitete inzwischen im Ladengeschäft mit und bei großem Betrieb unterstützte auch noch meine Mutter die beiden Damen. Mit dem neuen Laden hatte sich das Warenangebot im Geschäft klarer gegliedert, neben Lebensmitteln, Obst und Gemüse, Haushaltswaren und Geschenkartikeln wurden auch Schulartikel (Bau der Schule im Eichwald) und Kommunionartikel verkauft. Der Spielwarenbereich wurde aufgegeben. Man verkaufte nun auch Backwaren, die von der Firma Streck
(vom Hof) geliefert wurden.
Bis zum Ende der sechziger Jahre lief das Geschäft noch sehr gut, dann trat allgemein der Wandel ein. Es entstanden Supermärkte und viele Fachgeschäfte, die eine starke Konkurrenz darstellten. Die Kunden waren nun auch viel mobiler geworden und kauften nicht mehr alles bei „Tante Emma“ um die Ecke. Dort ging man nur noch hauptsächlich zum „Schwätzchen“ hin, oder um etwas „Vergessenes oder Ausgegangenes“ zu holen (oft auch außerhalb der Geschäftszeiten !!)
Um konkurrenzfähig zu bleiben wechselte Geschwister Weck zu Rewe.

Rewe Streicholzschachteln

1975 - Eine Kundin hatte bei einem Preisausschreiben gewonnen !
Preisübergabe mit Pfarrer Schneble, Bürgermeister Benno Huber, Kundin, Rewe-Verteter, Emilie, mein Vater und Kinder

Mein Vater  hatte bald erkannt, dass unser Geschäft nicht mehr alle ernähren konnte und wurde 1969 Geschäftsführer beim Verkehrsverein Bühlertal.
Bis Ende der 70iger Jahre lief das Geschäft noch einigermaßen, dann musste sich auch Karin eine Stellung suchen. Für Tante Emilie war es nun auch immer schwieriger geworden, die Mindestmengen bei der Firma Rewe abnehmen zu können. Da auch die Bestellung an sich (per Telefon mit Nummern) für sie immer komplizierter wurde – es kamen kaum noch „Reisende“ wie früher ins Geschäft, mussten wir  bei Rewe aussteigen. Unser neuer Lieferant war die Firma Schöler in Sinzheim. Oft lagen die Einkaufspreise für uns am Anfang der 80iger über den Verkaufspreisen beim Aldi. So war es nur eine Frage der Zeit, bis das Geschäft geschlossen werden musste. 1985 war es dann soweit. Schweren Herzens endete nach 75 Jahren unsere Kaufmannstätigkeit.


Tante "Emma" - Emilie (Jahrgang 1910)
Für Tante Emilie war es richtig schlimm. Für sie brach eine Welt zusammen. Noch monatelang brachte sie ihre Restbestände unters Volk und war immer richtig glücklich, wenn jemand aus der Nachbarschaft kam, um noch nach etwas zu fragen. Aber auch für viele Kunden, besonders die älteren Damen, fehlte jetzt ihr täglicher Kommunikationspunkt.

Immer wieder habe ich bis zum heutigen Tag gehört, wie schön es früher war, wenn man bei s´Weckeblechners einkaufen konnte. Vermisst haben sicherlich auch die  Schulkinder unseren Laden, so ein paar Brausestengele auf dem Heimweg waren sicherlich eine feine Sache gewesen.

Wenn man bedenkt, dass in den fünfziger Jahren allein im Obertal um die  20 Tante – Emma Läden existierten, dann sieht man  deutlich den großen Wandel.


Ende 60iger

Lange standen unsere Geschäftsräume leer und dienten uns nur noch als Abstellräume. Erst im Jahr 2000 haben wir dann umgebaut und  Wohnräume erstellt. Teile von unserer Geschäftseinrichtung finden sich aber noch. Eine Theke habe ich z.B. im Keller aufgebaut und unsere runde Ladengondel dient mir schon seit 20 Jahren in der Schule als Regal.


Beginn des Umbaus im Juli 2000


 Gschichtle 23 - Brausestäble und Colafläschle ......

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