Gschichtle von früher
Das Osterfest und der Weiße Sonntag
liegen nun wieder hinter uns. Und es ist jetzt die Zeit, in welcher sich
die Kommunionkinder zum Dienst als Ministrantin oder Ministrant anmelden
können. Dies war auch bereits so, als ich 1950 Erstkommunikant war.
Und auch ich wollte, wie mein ältester
Bruder, Ministrant werden. Als ich diesen Wunsch Pfarrer Schneble vortrug,
meinte er aber: „Du hast eine schöne Stimme, ich möchte lieber,
dass Du zu den Sängerknaben gehst!"
Ja, wer weiß heute noch, dass es in
der Liebfrauenpfarrei Bühlertal über viele Jahre hinweg auch
Sängerknaben gab? So will ich in diesem Geschichtle meine Erlebnisse
hierbei schildern. Es war eine sehr schöne Zeit, erforderte aber auch
viele Opfer. Für unsere Schulkinder und Jugendliche in der heutigen
Zeit eigentlich unvorstellbar. Aber gerade deshalb ist es sicher interessant,
hierüber zu berichten: Ich kam gerade in die 4. Klasse und getraute
mich natürlich nicht, Pfarrer Schneble
zu widersprechen und seinen Wunsch abzuschlagen.
So kam ich zusammen mit 3 anderen Schulkameraden zu den Sängerknaben. Bevor wir mit den älteren auftreten durften, hieß es eifrig die Gesangsproben zu besuchen, welche meistens die jeweiligen Kapläne oder aber der Leiter des Kirchenchors, Herr Erhard Steimel, leitete. Nach einigen Wochen intensiven Probens der lateinischen Texte sowie der Melodien, durften wir Neulinge uns dann schon in den Kreis der älteren Sängerknaben einreihen und, wenn auch noch leise, mitsingen. Die heiligen Messen wurden ja seinerzeit in lateinischer Sprache gehalten, was sich erst nach dem II. Vatikanischen Konzil änderte. So konnten wir bald das Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Die fast auswendig und in etwa auch die Übersetzung ins Deutsche.
Zu meiner Schulzeit fanden fast jeden Morgen 2 Heilige Messen für verstorbene Gemeindemitglieder statt. Und zwar um 6.45 Uhr und 7.15 Uhr. Die Sängerknaben ' gestalteten diese beiden Messen am Montag bis Donnerstag und am Samstag gesanglich aus. Nur am Freitag sangen Mitglieder des Kirchenchores, soweit dies aus beruflichen Gründen möglich war. Wir waren somit 5 mal wöchentlich im Einsatz. Natürlich fiel es uns manchmal schwer, morgens um 6 Uhr aufzustehen, auch in der Ferienzeit. Mitunter bei Kälte, Schnee und Regen machten wir uns, mit dem Schulranzen auf dem Rücken, auf den Weg zur Kirche. Nach den Gottesdiensten mussten wir uns beeilen, damit wir um 8 Uhr rechtzeitig zum Unterrichtsbeginn in der Schule waren. Oftmals haben wir den Weg von der Kirche zur Schule im Eiltempo zurückgelegt.
Wenn eine Beerdigung war, gestalteten wir
Sängerknaben das anschließende Seelenamt ebenfalls gesanglich
aus. Hierzu mussten wir dann im Schulunterricht eine Stunde frei fragen,
was uns die Lehrer auch, dank des guten Einvernehmens mit Pfarrer Schneble,
auch immer genehmigten.
Ein besonderes Erlebnis für uns war
es, wenn wir Samstagvormittags bei den Hochzeitsämtern singen durften.
Dies wollte sich keiner von uns entgehen lassen, winkte uns Sängerknaben,
wie auch den Ministranten, die wir das Jahr über den Dienst natürlich
ehrenamtlich versahen, hier eine besondere Belohnung. Denn Pfarrer Schneble
verteilte einen Teil des Inhalts des Opferkörbchens an die Ministranten
und Sänger. Je nach Inhalt bekamen wir dann 50 Pfennig, oder wenn
die Hochzeitsgäste besonders großzügig waren, fielen für
uns auch mal eine Mark oder gar zwei Mark ab. Für mich, der, wie auch
meine Geschwister, zuhause kaum einmal ein Taschengeld erhielt, war dies
ein Vermögen, mit welchem ich mir dann einmal ein Eis oder gar einen
Kinobesuch erlauben konnte.
Ein tolles Erlebnis war für mich und
meine Kameraden, wenn hin und wieder mal ein Stromausfall zu verzeichnen
war. Dann durften wir älteren Sängerknaben in den Glockenstuhl,
um den Beginn des Gottesdienstes einzuläuten.
Jeder von uns schwang eine Glocke, wobei
je nach der Größe diese langsam oder schnell zu schwingen war.
Sicher war dies dann nicht das übliche harmonische Geläute, aber
für die Kirchgänger trotzdem eine zeitliche Orientierung.
Da die Liebfrauenpfarrei die einzige im
weiteren Umkreis war, welche Sängerknaben hatte, durften wir gelegentlich
auch den Gottesdienst in anderen Pfarreien gestalten. Auch bei den jährlichen
Dekanats-Jugendtreffen sangen wir, so z.B. in Bühl, Kappelwindeck,
Neusatz, Altschweier und Neuweier.
So sangen wir an ca. 250 oder gar mehr Tagen
im Jahr bei verschiedensten Anlässen. In der heutigen Zeit wäre
dies undenkbar und es würden sich bestimmt keine Schulkinder mehr
finden, um diese zeitliche Belastung auf sich zu nehmen.
Die gesangliche Ausgestaltung der Gottesdienste
war, wie bereits erwähnt, ehrenamtlich und machte mir und meinen Kameraden
viel Freude. Und Pfarrer Schneble ließ es sich natürlich nicht
nehmen, uns, wie auch den Ministranten, auf seine Art zu danken. So machten
wir einen jährlichen Ausflug z. B. nach Freiburg, Heidelberg, zur
Hohenzollernburg mit den nahe gelegenen Tropfsteinhöhlen oder zu den
Volksschauspielen in Qtigheim, wo ich sonst sicher in dem Alter nie hingekommen
wäre. Ein besonderes Erlebnis war dann der Nachmittag vor Weihnachten,
wenn jeder Ministrant und Sängerknabe im Schwesternhaus bei einer
kleinen Feier sein „Christkindl" bekam, wobei wir uns mitunter auch etwas
wünschen durften.
Mit dem Hauptschulabschluss und dem Beginn
der Höheren Handelsschule endete dann meine Zeit bei den Sängerknaben
der Liebfrauenpfarrei.
Der Knabenchor bestand meines Wissens bis
Ende der 60er Jahre,
Leider fanden sich in den späteren
Jahren keine Jungen mehr, die diesen schönen, aber auch zeitaufwendigen
Dienst als Sängerknabe ausüben wollten, sodass der Knabenchor
aufgelöst werden musste. Sicher bedauerte man dies auch beim Kirchenchor.
Denn etliche der Sängerknaben schlossen sich immer wieder dem Kirchenchor
an und sorgten somit für den notwendigen Nachwuchs.
Vielen Dank an Günter Kist!