Gschichtle von früher
Der Schreiber dieses Gschichtles im Sonntagsoutfit Ende der 50er
Am Sonntag wurde bei uns früher immer
groß aufgetischt. Meine Mutter hatte am Sonntagvormittag volles Programm.
Nach der Frühmesse und einem gemütlichen Frühstück
im Wohnzimmer (das gab es nur am Sonntag) stand sie meist den ganzen Vormittag
in der Küche und bereitete das „Sonntagsmenu“ zu. Auf ein gutes Sonntagsessen
in aller Ruhe wurde viel Wert gelegt, denn in einem Geschäftshaushalt
war es unter der Woche eigentlich kaum möglich, dass wir alle gemeinsam
essen konnten. Eine Mittagspause im Geschäft gab es damals nicht,
wir hatten durchgehend geöffnet von 7 Uhr bis 18.30 Uhr. Und auch
danach war Tante Emilie immer „verkaufsbereit“.
Also am Sonntag, da sollte es gemütlich
zugehen. So meinte es zumindest mein Vater. Er musste schließlich
nicht stundenlang vor und nach dem Sonntagsmahl in der Küche stehen.
Alle Vorbereitungen des Sonntagvormittags liefen also sehr zielgerichtet
ab, denn pünktlich um 12 Uhr sollte das Essen auf dem Tisch stehen.
Auf diesem Weihnachtsbild sind bis auf den Hausherr alle Bewohner der
Eichwaldstr.3 um 1960 zu sehen:
In der 2. Reihe v.l. neben Gabriele: Karin, Emilie, meine Oma Maria
und vorn neben Reinhard der Webmaster und seine Mutter (im Hintergrund
die restlichen Mitglieder von Familie Späth - Birgit, Lollo und Onkel
Sepp)
Das einzige Problem bei der Einhaltung des Terminplanes war aber dann oft der Hausherr, der um 12 Uhr nicht da war !! Immer wieder musste das Essen warm gehalten werden. Meine Mutter verfügte im Laufe der Jahre über eine ganze „Batterie“ an Stövchen und Warmhalteplatten, um für diese Situationen gewappnet zu sein. Das Essen ohne meinen Vater zu beginnen, war eigentlich selten in Frage gekommen, höchstens nach einer vergangenen Wartezeit von mindestens 30 Minuten.
Der Leser wird sich jetzt fragen, wie es
zu diesen Verspätungen meines Vaters hatte kommen können. Es
gab eigentlich nur 2 Möglichkeiten.
Möglichkeit A: mein Vater war „politisch
unterwegs“, zum Beispiel bei einer Wahlversammlung oder einem „politischen
Frühschoppen“(gab es wirklich !).
Möglichkeit B (in den meisten Fällen
– mindestens 80 %): Er saß wenige Meter entfernt im Büro vom
Nachbarn Wilhelm Ganz.
Willi Ganz schaut aus seinem Bürofenster
Das Büro von Wilhelm Ganz - es sieht heute noch genau so aus wie
Ende der 50er.
Ja, im Büro! Aber nicht etwa, weil
er Willi irgendwie kaufmännisch unterstützte, nein, weil die
beiden Herren fast jeden Sonntagvormittag im Büro Karten spielten,
also zockten. Sie spielten eine Art Rommé.
Nachbarn und Kartenspieler: Wilhelm Ganz und Konrad Weck
Die Küche von Anna Ganz lag direkt gegenüber des Büros. Auch Anna hatte fast jeden Sonntag den Kampf, den Zeitpunkt des Mittagessens irgendwann nach 12 Uhr so einzurichten, dass kein Spiel abgebrochen werden musste. Wie meine Mutter, kochte auch sie nicht nur der Küche, sondern auch sehr oft innerlich, wenn es mal wieder länger ging.
Auch sie brauchte viel Geduld - Anna
Aber auch sie konnte drohend an der Bürotür
stehen, nie hätten die 2 Paschas ein Spiel abgebrochen.
Meine Funktion an diesen Sonntagmittagen
war auf jeden Fall klar definiert. So um 11.45 Uhr wurde ich erstmals ins
Nachbarhaus geschickt, um die Lage zu checken.
Ich pendelte in den meisten Fällen
oft hin und her und lernte dabei auf jeden Fall, dass Versprechungen von
Erwachsenen oft nur unzureichend eingehalten werden.
Der Bote zwischen den Nachbarhäusern
Immerhin an einem Sonntag im Monat
klappte es mit dem pünktlichen gemeinsamen Essen, da gingen wir nämlich
immer in ein Lokal, meist zu der Verwandtschaft in die Krone !
Wenn es mit dem Essen dann doch noch irgendwie geklappt hatte, ging
es am Nachmittag zum Sonntagsausflug.
Erika, Konrad und Martin Weck
Auch mit diesem Nachbarn spielte mein Vater gerne Karten !!!!