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Neuigkeiten
April 2006


Nr.4
7.April 2006
Im Rheinischen Merkur am 6.4.06 gefunden
(siehe Link unten):


FUSSBALL-WM  / Wenn die Kicker anrücken, herrscht in Deutschland plötzlich Fifa-Recht
La Ola vor Gericht
Mit Joseph Blatter und seinem allmächtigen Weltverband ist nicht zu scherzen: Sie konfiszieren Produkte und überziehen das Land mit Klagen.

von THOMAS SCHWITALLA
 
Was für schöne Pläne der Eimsbütteler Turnverband (ETV) doch im Winter hegte. Der Klub aus dem szenigen Hamburger Viertel wollte den Schwung der Fußballweltmeisterschaft nutzen, um Werbung in eigener Sache zu machen, und plante ein Turnier mit Hobbykickern, Motto: „Die wahren Weltmeister“. Tagsüber sollte auf dem Kleinfeld gebolzt, abends gefeiert und im Fernsehen WM geguckt werden. Eigentlich stand einer zünftigen Party nichts mehr im Weg.
 

Eigentlich. Denn als die Stadt Hamburg vom Vorhaben der rührigen ETVler Wind bekam, war es vorbei mit dem Spaß. Die Freizeitmannschaften könnten den Weltfußballverband Fifa verstimmen, fürchteten die Beamten und erklärten, das Turnier auf keinen Fall in den städtischen Veranstaltungskalender aufnehmen zu können. Überhaupt rate man, von dem Projekt Abstand zu nehmen. Ärger mit der Fifa sei programmiert, eine Klage mit hohem Streitwert sehr wahrscheinlich.

Das Patentamt hilft

Verrückte Welt: In Deutschland beginnt bald die Fußball-WM, doch das Feiern wird verboten. Wie den Hamburger Hobbykickern geht es nämlich vielen, die sich auf das sportliche Großereignis gefreut haben. Wer der Fifa zu nahe kommt, dem wird der Spaß gründlich ausgetrieben. Der Verband, der die WM ausrichtet, setzt seine Rechte und die der Sponsoren radikaler durch als je zuvor. Dass es dabei auch zu Absurditäten kommt, wird billigend in Kauf genommen - schließlich geht es hier nicht um Sport, sondern ums große Geschäft und sehr viel Geld.
 

Die Fifa hat nicht nur mit den Fernsehrechten, die sie für etwa eine Milliarde Euro verkauft hat, prächtig verdient. An die 40 Millionen Euro bezahlt zusätzlich jeder der 15 Hauptsponsoren für seine Präsenz bei der WM. Mit von der Partie sind unter anderem Coca-Cola, Yahoo, Hyundai, McDonald's und Adidas. Daneben gibt es noch nationale Förderer wie die Bahn AG oder den Heimwerkermarkt Obi, die noch einmal jeweils 13 Millionen Euro bezahlt haben, um die WM werblich nutzen zu dürfen. Insgesamt dürften zwischen 700 und 800 Millionen Euro auf diesem Weg an die Fifa fließen. „Selbstverständlich schützen wir unsere Sponsoren, die viel Geld für ihre Rechte bezahlt haben“, sagt Gregor Lentze, Fifa-Marketing-Mann für Deutschland. So muss vom Dach der Hamburger AOL-Arena der Schriftzug des Sponsors abmontiert werden. AOL ist Konkurrent des Fifa-Partners Yahoo.
 

Um diesen Schutz zu gewährleisten, hat die Fifa mehrfach vorgebaut. Zum einen hat sie mit den Städten, in denen WM-Spiele stattfinden werden, knallharte Verträge geschlossen, die weite Bereiche um die Stadien unter Kuratel stellen. Zum anderen hat sich die Fifa bereits im Jahr 2002 beim Münchner Patentamt mehr als 50 Begriffe schützen lassen, darunter Allgemeinplätze wie „WM 2006“ oder „Dortmund 2006“.
 

Gegen diese Vereinnahmung der Begriffe regt sich Widerstand. Vor allem der Süßwarenhersteller Ferrero liegt mit dem Verband im Clinch. Seit 1982 legt das Unternehmen seinen Schokoriegeln „Hanuta“ und „Duplo“ Sammelbildchen der deutschen Nationalspieler bei. Das will die Fifa nun untersagen. Am 27.April wird der Bundesgerichtshof entscheiden.
 

Die meisten Firmen haben weder die finanzielle Kraft noch den Mut, um gegen die Fifa anzutreten. Wer aufbegehrt, wird, so berichtet ein Betroffener, „mit unglaublicher Arroganz abgefertigt“. Gerne verweist die Organisation bei diesen Gelegenheiten auf ein „Fifa-Gesetz“, das ihr weit reichende Kompetenzen gewähre. Nur: In Deutschland gibt es ein solches Gesetz gar nicht.
 

Der Fußballverband verfolgt eine eigene Logik. „Die Weltmeisterschaft“, meint Lentze, „ist kein Allgemeingut, sondern eine Privatveranstaltung der 207 Fußballverbände.“ Eine denkbar bizarre Privatveranstaltung: Allein in den deutschen WM-Stadien stecken etwa 600 Millionen Euro an öffentlichen Geldern, von der Infrastruktur ganz zu schweigen. Doch das ficht die Züricher Fußballbarone nicht an. Mit sicherem Machtinstinkt versuchen Sepp Blatter und sein Weltverband, das Gastgeberland während der WM zu unterwerfen. Am liebsten hätte Blatter extra Fahrstreifen und Polizeibegleitung für seine VIP-Gäste. Das klappt zwar nicht, aber immerhin hat der Schweizer für die Fifa und ihre Geschäftspartner eine Steuerbefreiung herausgeschlagen– das sollte der Privatmann einmal versuchen.
 

Die Regelungswut der Fifa-Offiziellen dringt bis in hinterste Winkel. So ist unklar, ob Bäcker die beliebten „WM-Brote“ anbieten dürfen. Je nachdem, wie der Bundesgerichtshof Ende April entscheidet, drohen Schadensersatzklagen durch die Fifa. Dass der Verband in diesen Dingen keinen Spaß versteht, hat er bei der WM vor vier Jahren bewiesen. Damals ließ die Organisation gut 3,1 Millionen Produkte beschlagnahmen und klagte in etwa 1700 Fällen erfolgreich.
 

Firmen, die mit der WM in irgendeiner Form werben wollen, müssen höllisch aufpassen. „Der Beratungsbedarf ist enorm“, sagt Stefan Engels, Anwalt in der Kanzlei Lovells und Partner. Er rät zu Kreativität und Vorsicht. Sonst könnten sie „schnell in den Verdacht der unlauteren Rufausbeutung“ kommen. Engels Kanzlei profitiert von den Schikanen: Für die Zeit der WM halten sich die Anwälte bereit. „Denn dann“, so Engels, „werden sich die Fälle häufen.“
 

Glück haben die Zuschauer. Sie dürfen auch ins Stadion, wenn sie ein T-Shirt eines Nicht-Sponsors wie Puma oder Nike tragen. Das mag wie die größte Selbstverständlichkeit klingen, war aber lange fraglich. Weniger gut kommt das HSV-Museum in der AOL-Arena davon: Das darf zwar während der WM öffnen, aber nicht an den beiden Tagen vor einem Spiel in Hamburg und am Spieltag selbst. Grund für die Einschränkung: In den Räumen werden zu viele Utensilien ausgestellt, die nicht von einem der WM-Sponsoren stammen.
 

Betroffen vom WM-Fieber in der Hansestadt ist auch die nur einen Steinwurf vom Fußballstadion entfernt gelegene Color-Line-Arena. Die Halle hatten die Fifa-Verantwortlichen zunächst in ihre Planung integriert und forsch erklärt, einen Monat lang dürfe dort keine Veranstaltung stattfinden – ohne mit dem privaten Eigentümer gesprochen oder sich Gedanken über dessen Einnahmeausfälle gemacht zu haben. Erst nach langer Vermittlung durch die Stadt lenkte die Fifa in einigen Fragen ein.
 

Der Ärger mit dem Weltverband bedrückt die die Stimmung in der fußballverrückten Hansestadt. Das sonst brave „Hamburger Abendblatt“ titelte: „Die Fifa gängelt Deutschland“, die Einzelhändler sind verstimmt, die Wirtschaft unzufrieden. Karl-Heinz Blumenberg vom Stadt-Marketing will von offener Kritik aber nichts wissen. Er glaubt weiter daran, dass „die WM eine launige Fußballparty wird“. Sein Optimismus ist Pflicht: Keine Stadt will sich mit der Fifa anlegen – aus Angst, künftig bei der Vergabe von Länderspielen außen vor zu sein.
 

Finanzielles Desaster

In München hat die Fifa das alte Grünwalder Stadion fünf Wochen als Trainingsgelände geblockt – Miete zahlen will sie nicht. In Zeiten, in denen Jugendabteilungen um ein paar Bälle kämpfen müssen, wollte die Münchner Stadtverwaltung nicht mitspielen. Sie schickte den WM-Ausrichtern eine Rechnung über 15000 Euro, die nun für Verdruss sorgt. In Stuttgart wird darüber gestritten, ob der Name der neuen Porsche-Arena neben dem WM-Stadion verhüllt werden muss – Hyundai, nicht unbedingt ein direkter Wettbewerber der Sportwagenbauer, aber Topsponsor, könnte sich gestört fühlen.
 

Für einige Städte könnte sich das Fußballfest sogar zum finanziellen Desaster entwickeln. Da nur die offiziellen Fifa-Partner in den Veranstaltungskalendern werben dürfen, reißen die Broschüren Löcher in die Kassen. Auch die Refinanzierung der öffentlichen TV-Übertragungen zum Beispiel auf Großleinwänden ist fraglich, denn auch da dürfen nur Fifa-Partner auftreten.
 

Vor einem ganz besonderen Problem stehen die Kicker des SV Bühlertal in Baden. Als die hörten, dass sich die englische Nationalmannschaft auf der Bühlerhöhe einquartiert, boten die Amateure ihren neuen Fußballplatz als Trainingsgelände an. Doch die Freude, als Gastgeber der Stars um David Beckham dienen zu dürfen, ist längst verflogen. Denn inzwischen hat die Fifa den braven Südbadenern klipp und klar erklärt, dass sie auf der eigenen Anlage rein gar nichts mehr zu sagen haben.
 

Das Clubhaus dürfen sie nicht mehr betreten, wenn die Stars in der Nähe sind, den Rasen sowieso nicht. Ob ein öffentliches Training stattfindet, ist unklar. „Die Fifa will das in Karlsruhe ausrichten“, sagt ein Vereinsmitglied. „Wie sollen wir uns freuen, wenn wir ausgeschlossen werden?“ Wer die Einnahmeverluste trägt, die dem Club durch den Wegfall von zwei großen Turnieren entstehen, ist unklar. Die 15000 Euro sind aber fest in den Etat eingeplant. „Es ist ein Kampf um jeden Cent.“ Selbst auf seine Heimspiele muss der SV Bühlertal verzichten. Der Platz ist für die Engländer gesperrt. Dabei kämpft die 1. Herrenmannschaft um den Aufstieg in die Landesliga. Aber Sepp Blatter spielt eben in einer anderen Liga.

Die Organisation in Zahlen

Die Fifa wurde am 21.Mai 1904 in Paris ins Leben gerufen – damals unterzeichneten Bevollmächtigte aus sieben Ländern die Gründungsakte. Heute hat die Organisation 207 Mitgliedsverbände. Die Fifa, die ihren Sitz seit 1932 in Zürich hat, ist für die Verbreitung des Fußballsports zuständig und für die Ausrichtung der Weltmeisterschaften. Beides macht sie mit viel Erfolg: Über 200 Millionen Menschen spielen weltweit Fußball, und die WM hat sich zu einem großen Geschäft für die Fifa entwickelt. Allein die Fernsehrechte für die Endrunde 2006 in Deutschland spielen über eine Milliarde Euro ein. Die Sponsoren steuern weitere 700 bis 800 Millionen Euro bei. Der Weltverband beschäftigt rund 270 Männer und Frauen. Der Gewinn lag 2004 bei 100 Millionen Euro. Der Schweizer Sepp Blatter ist seit 1998 ihr Präsident.
 
© Rheinischer Merkur Nr. 14, 06.04.2006

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