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Gschichtle von früher



Gschichtle 75:

von Hubert Ganter
(31.1.09)

Als die Bilder laufen lernten- Filmvorführungen im Eichwald
Der Begriff "filmen" war in den frühen 40er Jahren eher ein Fremdwort, ein "Film" (im Fotoapparat) ja, aber "filmen", damit konnte man im Allgemeinen nicht viel anfangen. Der Wahrheit entsprechend muss ich sagen, außer meinem Vater gab es nur noch eine Person, die sich mit dem Filmen befasste und etwas davon verstand, es war der Fotograf Karl Roth. Aber regelrecht "filmbesessen" wie es mein Vater war, war schon eine große Seltenheit und diese Leidenschaft hat er sich bis ins hohe Alter bewahrt.
Das Wort filmen war so ungewöhnlich, dass er anfänglich immer von "lebenden Bildern" sprach -siehe Überschrift - und ich möchte nun ein paar Einzelheiten beschreiben, welche diese Aussage bestätigen werden.
Er besaß bereits vor 1940 eine Filmkamera des Formates Doppel 8 (siehe Anm.). So erinnere ich mich noch daran, dass es von mir als vielleicht Dreijähriger Filmaufnahmen im Karlsruher Zoo gab. Ich steckte einen Finger in den großen Vogelkäfig und wurde prompt von einem Raben gezwickt.

Er filmte Kinderszenen, Ausflüge, Verwandte und Bekannte und gab immer sehr viel Geld für das teure Filmmaterial und die anschließende Bearbeitung aus.
Kurz zu Ausflügen:
Die Eichwälder, besonders Familie Pfeffinger, und auch andere Bekannte unternahmen sehr oft gemeinsame Ausflüge, so z.B.zum Sandsee. Bei diesen Unternehmungen durfte natürlich die Filmkamera nicht fehlen. Es entstanden zusammenhängende Filme mit entsprechenden Titeln am Anfang:
"Wurstschnapperles am Sandsee"
"Dr.Bert auf Brautschau" u.a.
Dr.Bert war der Schuhmacher Stricker und die Braut Hilde Hunkler, Schwester von Wirtin Maria Pfeffinger.


Hinten stehend: Hilda Hunkler
Dieter Pfeffinger, Eugen Pfeffinger und Karl Schneider

Schade, dass sich wohl kaum jemand mehr an meine Ausführungen erinnert.
Die belichteten Streifen mussten an eine Kopieranstalt zum Entwickeln und Bearbeiten geschickt werden (siehe Anm.)
Zu Hause konnte man dann auch Titel, Schriften usw. einsetzen,dazu hatten wir ein besonderes Gerät, es hieß "Titelgerät", dann natürlich eine Vorrichtung zum Schneiden und Zusammenkleben der einzelnen Abschnitte.


Klebepresse für 16 mm - Filme

Warum die Überschrift: Filmvorführungen im Eichwald?

Dass meine Eltern sehr kinderfreundlich eingestellt waren und trotz ihrer vielen Arbeit uns halfen bzw. uns wenigsten auch mal machen ließen, was wir wollten, habe ich schon an anderer Stelle berichtet. So wurden die Kinder aus dem Eichwald und der näheren Umgebung immer mal wieder eingeladen zu einer Filmvorführung -sprich ins K I N O  bei Ganters.

Unter dem "Glasdach" (Pfeil)- Atelier und "Kino" - Ganter

Der Vorführraum war für damalige Verhältnisse riesengroß. Es war das Fotoatelier meines Vater, in dem locker ganze Hochzeitsgesellschaften sich in ganzer Breite unter einem Glasdach (Tageslicht !!) zum offiziellen Hochzeitsfoto aufstellen konnten. Stühle waren reichlich vorhanden, u.a.auch Sitzgelegenheiten, die sonst als Requisiten bei Fotoaufnahmen verwendet wurden. Rechts in einer Nische saß Bruno an der Kasse (Eintritt 10 Pf.??) und Lothar als Filmvorführer richtete sich hinter einem Paravent ein, legte die Filme ein und gab das Kommando: "Licht aus !"


Film- und Fotoexperten der 2. Generation - Walter, Lothar, Bruno und Hubert

Spannende Frage: "Um welche Filme handelte es sich?"
Zum Einen waren es gekaufte, also eigene Filme, ebenso wurden aber auch Filme für jeweils drei Tage ausgeliehen (siehe Anm.)
Die "eigenen Filme", die unzählige Male gezeigt wurden und immer wieder Stürme der Begeisterung auslösten, sind mir noch genau in Erinnerung.
Spitzenplatz und großer Renner:

"Lehmann ist ein schlechter Kutscher !"
Ein noch kutschenartig gebautes Automobil fährt durch die engen Gassen eines Marktes und reißt so gut wie alle Verkaufsstände um. Immer wieder: "Noch mal, noch mal!! "Wenn Lothar den Film dann plötzlich rückwärts laufen ließ und sich die Buden wieder aufstellten war kein Halten mehr!!

"Oh, diese Männer!"
Mehrere bärtige und wild aussehende Männer sitzen um einen Tisch und spielen Karten, sie beginnen zu streiten und es endet in einer wüsten Schlägerei.
"Der Löwe und die Maus"
Zeichentrickfilm von Walt Disney. Der Löwe verschont die Maus und wird später, als er in einem Netz gefangen ist, von der Maus befreit.

"Mickey Mouse" in der Schule
Statt aufzupassen ist der Hauptdarsteller nur damit beschäftigt, einen Apfel zu essen.

"Der mutige Torero"
Ein Stierkämpfer macht sich vor dem Kampf wichtig und plustert sich mächtig auf um nach dem verlorenen Kampf ganz klein und dünn die Arena zu verlassen.

Dann Filme von Pat und Patachon und ähnliche lustige Sachen.
Noch einen Original-Wochenschaufilm, auch eigen, möchte ich erwähnen. Vor Kurzem sah ich in einer Fernsehdokumentation über den U-Boot-Krieg genau diese Scene, die ich als Bub immer wieder gesehen habe.

Noch wichtig anzumerken:
Alle "Kinogänger" mussten unten im Eingangsbereich vor der Treppe ihre Schuhe ausziehen. Was meine Mutter wohl jedes Mal mitgemacht hat, bis alle Kinder nach der Vorstellung ihre Schuhe wieder gefunden und dann auch noch angezogen hatten!.
Die Filmkameras wurden moderner, nach Doppel 8 mm kam das Format Super 8 und das Filmen hielt immer mehr Einzug in den privaten Bereich. Mein Vater hat dieses Format sozusagen übersprungen und gleich zum professionellen 16 mm Format gewechselt.

Johann Ganter mit der 16 mm - Bolex, 1957

Die Kamera war ein sehr bekanntes Schweizer Modell mit der Bezeichnung Bolex, bestückt mit drei Objektiven für Weitwinkel, Normal und Tele. Ich selbst war ebenfalls so fasziniert, dass ich mir auch gleich eine Bolex, allerdings mit einem damals sensationellen Zoomobjektiv, zulegte.

Hubert mit Bolex 1957


An Johann Ganters Geburtstag am 6.10.57 - Bolex immer parat


Filmen mit Stativ, 6.10.57 - Besuch im Basler Zoo


"Tonstudio" im Wohnzimmer, Bolex 16 mm mit 3 Objektiven, Regina und Elvira


Hubert im Einsatz für den Weihnachtsfilm 1957

Und das schönste Bild:

"Tonfilm" noch ohne! Tonspur !!
Zwischen Siemens-Projektor und Uher-Tonbandgerät ein mit flexibler Kardanwelle verbundenes Ausgleichsgerät zur Regelung der Geschwindigkeit.
v.l.: Hubert, Walter, Gerhard Fritz, Johann und Ehefrau Frieda, Bruno.


Im Gesicht von Hans Ganter spiegelt sich so richtig die Freude und Begeisterung für das Filmen
und natürlich die Ergebnisse der vielen Arbeit.
 

Es entstanden viele Filme im Zusammenhang mit dem Musikverein, dem Schulhausbau, Fastnacht, auch Veranstaltungen im Kindergarten waren Anlass, alles im Film festzuhalten.

Lief früher bei vielen Weihnachtsfeiern in Bühlertal - "Der Weihnachtsfilm 1957"

Beim Eichwaldfest wurde so auch ein Film gezeigt mit einer sehr interessanten Scene:

Martin hält um die Hand von Elvira an und bekommt einen Korb. Martin meinte im Gespräch mit mir: "Ich weiß nicht, warum ich plötzlich hinken musste."

Der Webmaster und die umworbene Elvira beim Kindergartenfest 1959 - Kurz nach dieser Situation lief ich hinkend davon.
Der Film war der "Renner" beim "100jährigen Eichwaldfest" 2008

Aber ich weiß es!
Nach Sigmund Freud (1856 - 1939), Begründer der Psychoanalyse folgender Zusammenhang:
Schwere seelische Verletzungen manifestieren sich in körperlichen Gebrechen und Krankheiten. Bei Martin ging das ruck-zuck!!

Anmerkungen:
1.Doppel 8,Filme 16 mm breit, Kassette nach Belichtung umdrehen (Doppelbelichtung nicht selten),Entwicklung und Trennung des Streifens in der Kopieranstalt Berlin
2.Gemeinnützige Kulturfilm-Vertriebsanstalt Berlin

16 mm Filme von Familie Ganter - alle genau beschriftet


Filmmaterial: Normal 8, Super 8, 16mm normal, 16 mmm doppelt performiert

Anmerkungen des Webmasters:
Kino in Ganters Atelier genoss ich Ende der 50er und Anfang der 60er in vollen Zügen.
Es gab keinen Kindergeburtstag bei Ganters ohne Filmvorführungen.

Filmvorführung beim Kindergeburtstag am Anfang der 60er.
 Johann Ganter, Frau Ganter, Frau (Oma) Müller
Webmaster, Brigitte, Regina, Bärbel Mardo und "abgeschnitten" - Elvira

Das war Vergnügen pur und damals viel schöner als Fernsehen. Besonders die "Dick und Doof" Filme vom Ganter Hans
ließen uns jubeln. Natürlich auch die vielen Eigenproduktionen, oft war ich ja schließlich auch auf den Filmen zu sehen.
War der Ganter Hans tagelang nicht im Garten zu sehen, konnte man sicher sein, dass er beim Filmschnitt saß.

Wir können ihm dankbar sein, dass er so viele "Ereignisse" im Eichwald und in Bühlertal festgehalten hat.
"Filmvorführungen im Eichwald"
Das müssen wir doch unbedingt in diesem Jahr wieder ins Programm nehmen !


Vielen Dank an Hubert !

Alte Filmtechnik aus dem Besitz des Webmasters.



Gschichtle 76:
"Geht immer"  -oder-  "Geht gar nicht"
vom Webmaster
(7.2.09)
 
 

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