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Gschichtle von früher



Gschichtle 68:
"Boss" und "Joop"  -darf`s auch mal was Anderes sein?
und "Kein Spielzeug vom Christkind"
von Hubert Ganter
(13.12.08)


Gibt es noch noch weniger als nichts? Ja, gar nichts!
Die ersten Jahre nach dem Krieg waren im wahrsten Sinne des Wortes
unbeschreiblich.
Ein paar Sätze, ein paar Worte so mal flüchtig gelesen, lassen die jungen
Leser von heute noch nicht einmal im Entferntesten erahnen, wie es wirklich war.
Ich freue mich, dass wir heutzutage alle!!! - im Vergleich zu den folgenden
Zeilen- im Überfluss und im Wohlstand leben. Ich blicke keinesfalls im Zorn zurück, ich möchte  lediglich  in lockerer Form ein bisschen berichten und keinesfalls belehren!

Zurück zum Eichwald.

Kaplan Duffner und Albert Schneble

Kaplan Duffner, unser nächster Nachbar, stammte aus dem hinteren Elztal
und seine Verwandten hatten eine kleine Fabrik, in der Wolle aus Lumpen und auch Matratzen hergestellt wurden. Die Wolle war grau, so kratzig und "bissig", dass man das nicht aushalten konnte. Daraus Socken stricken, ja selbstverständlich, aber was im Winter, wenn man keine langen Hosen hat? Also gab es notgedrungen auch lange Strümpfe (für mich sehr lange ). Aber wie "befestigen?"
"Gummiringe?", nein, die klemmen, "festtackern" geht auch nicht. Die
Lösung: ein Leibchen!
Ja, ein richtiges Leibchen (oder wie sagt man: mit Strapsen!!!) Ein Paar
alte "Seidenstrümpfe" von der Mutter unter die "Beißstrümpfe" und ab in die Schule.
Ich erinnere mich auch noch sehr genau an "Fußlappen" als Ersatz für Strümpfe. Ich glaube, sie kamen besonders im Winter zum Einsatz. Vielleicht habt ihr so etwas
schon einmal in einem Kriegsfilm bei Frontsoldaten gesehen.
Wolle waschen mit 30 Grad, damit sie nicht eingeht, das kann jeder!
In der größten Not war meine Mutter einige Tage bei Verwandten in der
Pforzheimer Gegend, um Bucheckern für Öl zu suchen!

Ordentlich, wie wir waren, haben wir im Keller den Waschkessel angeheizt, um die Socken und Strümpfe zu waschen.

Damit sie auch recht sauber werden haben wir kräftig nachgelegt, bis das Wasser kochte!!
Wie meine Mutter dieses Fiasko nach ihrer Rückkehr überstanden hat ist
mir auch heute noch rätselhaft.

Schuhe oder was ?
Eines Tages hieß es in der Schule: "Jeder Schüler bekommt ein Paar
"Holzklepperle!"
Lehrer Glaser führte unsere Klasse geschlossen ins Untertal zu einem
Schuhgeschäft genau gegenüber der Bäckerei Lamprecht bei der Kirche. Ich hatte damals Größe 36, wir haben das ja unterwegs genau besprochen.

Schuhkauf im Eichwald:
Zwischen dem Haus Steuerer und dem jetzigen Parkplatz , oberhalb einer
kleinen Stützmauer, stand früher eine Steinhauerhütte (kleiner Steinbruch im Wäldchen dahinter) und zu meiner Zeit war dort eine Wohnbaracke. Diese Wohnbaracke war, nach einem besonderen Aufruf, unser "Schuhcenter!"
"Hurra, es gibt Schuhe, richtige Schuhe !"
"Hurra, es gibt Hausschuhe !"
"Hausschuhe?" Noch nie gehört.
Also was gab es schließlich, wenn man Glück hatte, ein Paar Hausschuhe! Man
hätte mir doch gleich sagen können, dass ich Schlappen bekomme.
Recherche bei Lothar: gegen Wurst, Fleisch o.ä. gab es auch richtige Schuhe
zu kaufen.

Strohschuhe waren ein Ausweg, eine gute Sache. Einige Frauen haben das bis
zur Perfektion gebracht und wirklich schöne "Schuhe" hergestellt.

Kurzanleitung:
Stroh zu Bändern flechten
über einen Holzleisten spannen
Bahn für Bahn vernähen
Ränder umsäumen
Sohle mit starkem Tuch (auch Leder)versehen
f e r t i g !
Anm.: dass man in die Kirche (Messe ) ging war selbstverständlich.
Nur Bruno sollte warten, bis mein Vater von der Kirche kommt, um dann seine
Schuhe anzuziehen. Bruno war zu eifrig und machte sich schon mal in
Strohschuhen auf den Weg zur Kirche. Er wurde noch rechtzeitig abgefangen und
heimgeschickt, hat aber sicherlich mit seinem guten Willen ein paar Punkte auf seinem Himmelskonto gutgemacht.

Stichwort Punkte!
So wie man Lebensmittel auf Märkchen einkaufen konnte gab es auch Punkte
für den Schuhkauf.

Mit solchen Punkten durfte ich zum ersten Mal in meinem Leben alleine ein
Paar Schuhe kaufen, und zwar im Schuhgeschäft Zink  (unterhalb).
"Krabbennest" (früher Cafe Huber ).

Ich kaufte sie ganz bewusst viel zu groß, aber so hatte ich wenigstens für
längere Zeit mal richtige, hohe Schuhe.

Auch in der Schule wurden damals "Punkte "für die Benotung eingeführt
nach dem französischen Vorbild, was ich übrigens viel besser finde als die
Benotung von
1 bis 6.
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Kein Spielzeug vom Christkind
Damit auch jüngere Leser diese kleine Anekdote  richtig deuten können vorweg
ein kurzer Rückblick. Ab dem 28.August 1939 bis etwa Oktober 1950 gab es in
Deutschland so genannte Lebensmittelkarten, die auch, nach besonderen
Aufrufen, für andere Dinge des täglichen Gebrauchs benutzt wurden. Pro Person 1 Karte, ohne Karte, d.h. ohne das entsprechende, auszuschneidende "Märkchen" gab es noch weniger als nichts, nämlich   -  gar nichts !


Kurzer Auszug:
1945   pro Erw.-- wöchentlich -125 g Fett/25o g Fleisch/1.7oo g Brot
"Brotkarte"--Märkchen für 10 g !!! Brot, an Stelle von 10 Märkchen zu je
1o g!! konnte man auch 75 g Mehl nehmen. Gehopst wie gesprungen!
Milchkarte: Bestellkarte für  1/4 Liter Milch (äußerst exakt entrahmt ) pro Tag-
usw.  Könnt ihr euch das überhaupt vorstellen? Nein!

Zurück zum Christkind, das keine Spielsachen bringt.
In s´Wecke Schaufenster waren in der Adventszeit einige Spielsachen

ausgestellt und mein älterer Bruder Lothar hat sich dort, wie alle anderen
Kinder, tagtäglich die Nase platt gedrückt. Ein kleines Rennautole war sein Traum.

Als er eines Tages zum Einkaufen geschickt wurde, kam er freudestrahlend  mit dem kleinen Rennwagen nach Hause. Frau Weck (Oma von Martin)

Sophie Weck
hatte auf seiner Karte den kleinen Abschnitt für Spielsachen ausgeschnitten, denn sie musste ja ihrerseits für jeden Gegenstand, den sie abgab, wiederum Rechenschaft ablegen.


Das war eine Katastrophe, Weihnachten und kein Spielzeug unter dem
Weihnachtsbaum.
Lothar, der mit seinen 78 Jahren sich noch als Armeeführer ausweisen
kann, berichtet immer wieder ganz genau, dass ihm s´Wecke Sophie sein "Märkchen" für Spielsachen ausgeschnitten hat......


Walter, Lothar, Bruno und Hubert Ganter 1941 (von links)


Fritz Plattner-Straße durchgestrichen ! Jetzt hieß es wieder Eichwaldstraße !


(Alle "Lebensmittelkarten ......" aus eigenem Besitz des Webmasters)



Gschichtle 69:
"Wohnst du noch - oder lebst du schon ?"
von Hubert Ganter (20.12.08)
 

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