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Gschichtle von früher



Gschichtle 118:
"Zirkusdrama in Bühlertal 1950"
oder "Der Löwe und die Note"
 von  Hubert Ganter und Martin Weck
(17.4.10)



Vorwort vom Webmaster:
Manchmal ist es schon toll, wie man zu Material über frühere Jahrzehnte in Bühlertal kommt.
Ende November 2009 entdeckte ich bei ebay im Angebot einen Zeitungsartikel von 1950 aus der Münchner Illustrierten.
Titel des Artikels: "Wer öffnete den Käfig?" - Zirkusdrama in Bühlertal.
1950 war ich noch nicht auf dieser Welt, habe aber  schon einmal irgendwas von einem ausgebrochenen Löwen auf dem "Festplatz-Breitmatt" gehört.
Es gab einige "Mitbieter" bei diesem Angebot, aber schließlich bekam ich doch den Zuschlag.
Mit Spannung erwartete ich den Artikel über die "Tragödie" von Bühlertal. Ich war dann aber doch enttäuscht, dass sich keine "Auflösung des Krimis" in dem Artikel fand. Ich schickte Hubert den Artikel und er konnte sich an den Vorfall erinnern. Allerdings lösten die "Löwenbilder" und der Vorfall persönliche Erinnerungen bei ihm aus, und so enstand das Gschichtle "Der Löwe und die Note".
Vielleicht kann die Geschichte vom Unglück im Zirkus Olympia ja aber durch die Veröffentlichung dann doch noch von anderen Lesern der Homepage ergänzt werden ............
Martin Weck
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Der Artikel aus der Münchner Illustrierten:


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Der Tatort:

Festplatz Breitmatt (Aufnahme aus den 40er Jahren)
"Der Löwe und die Note"
von Hubert Ganter
Auf die Nachricht von Martin, er hätte in einer alten Zeitschrift einen Artikel über ein Ereignis in Bühlertal gefunden, habe ich sofort und ganz spontan folgendes Gschichtle verfasst.
Dieses Vorwort ist nötig, weil ich zum Schluss noch mal auf den Zeitungsartikel eingehen will.

Der Titel dieser Geschichte erinnert mich sehr an einen der frühen Zeichentrickfilme von Walt Disney, den mein Vater käuflich erworben hatte und der unzählige Male den Eichwälder Kindern vorgeführt wurde.
Er hieß;
"Der Löwe und die Maus"
Ich habe mich nicht vertippt, ich meine wirklich und wörtlich, dass ein Löwe etwas mit einer Schulnote zu tun hatte.
Es handelt sich natürlich wieder um ein Gschichtle, das sehr persönliche Erfahrungen und Details enthält, aber ich kann doch nicht einfach das Blaue vom Himmel herunterholen oder irgend etwas erfinden, nur dass ich etwas schreiben kann. Es steht immer meine Person dahinter, auch wenn ich inzwischen bekannt bin wie ein roter Hund, obwohl mich nur noch wenige Eichwälder persönlich kennen.
Was soll`s!
Also, es war folgendermaßen:

         Es geht hier nicht um einen ganz gewöhnlichen Löwen!
         Es geht hier nicht um eine   ganz gewöhnliche   Note   !

Es geht um einen  Löwen, der auf der Breitmatt ausgebrochen war (siehe Anlage) und um eine sehr wichtige Schulnote (siehe Anlage).

Wie geht das zusammen?

Im Jahre 1950 führte das Badische Ministerium des Kultus und Unterrichtes p r o b e w e i s e  eine offizielle Abschlussprüfung für die 8.Volksschulklasse ein. Offensichtlich wollte man damit die Volksschule aufwerten und den erworbenen Abschluss als "Gütesiegel" einführen.
Man hatte noch keinerlei Anhaltspunkte, wie das Ganze durchgeführt werden sollte. Deshalb brauchte man "Versuchskaninchen" und ich, ich meine meine Klasse, musste dafür herhalten.
Die Teilnahme war freiwillig!

Ob alle Schulen oder nur einige ausgewählte Schulen an dieser ersten Schulprüfung beteiligt waren weiß ich nicht, das spielt in diesem Zusammenhang auch keine Rolle.

  Ob alle Schulen oder nur einige ausgewählte Schulen an dieser ersten Schulprüfung beteiligt waren weiß ich nicht, das spielt in diesem Zusammenhang auch keine Rolle.
Es waren eine schriftliche Prüfung in Deutsch (Aufsatz und Diktat)
                                                      Rechnen und Raumlehre
                                                      Z e i c h n e n !
              eine mündliche Prüfung  in Naturkunde
                                                      Naturlehre
                                                      Erdkunde

Kurze, unwichtige, aber interessante Einlage, falls ehemalige Schulkameraden das lesen sollten:

Das Diktat begann so:
"Risse, au Risse", meinte der Maler, der das Zimmer neu tapezieren sollte, "die muss ich zuerst  .......!" usw.

Der Zufall wollte es, dass gerade ein paar Tage zuvor ein Zirkus auf der Breitmatt gastierte und ein Löwe aus unbekannten Gründen ausgebrochen war.
Helle Aufregung im ganzen Tal, alle waren schockiert über das Drama und es war das Thema Nummer eins überall.
Was bei der Zeichenprüfung in etwa verlangt und erwartet wird, haben wir natürlich vorher geübt und alle, außer mir, haben sich auch treu und brav daran gehalten und das war gut so.

"Ich zeichne einen Löwen, wie er aus dem Käfig ausbricht!!"
Ganz aktuell, sehr interessant.
Mein Lehrer, Herr Glaser, und auch Rektor Huber und meines Wissens war zeitweise noch ein anderer Lehrer anwesend, sie blieben bei mir stehen und waren voll des Lobes und ich war ob meiner Idee auch recht stolz.


Lehrer Gauges und Lehrer Glaser 1957


Die Kollegien vor den sommerferien 1953 auf der Eichwald-Brücke.
v.l. Lehrer Haase, Margr. Albiez, Franz Müll, Ernst Huber, Fritz Brümmer, Antonie Winkler, Alexander Gauges, Johanna Reith

Dieses "Kunstwerk" wurde von einem fremden Lehrer, der mit der Beurteilung beauftragt war, mit der
                            Note   z e h n   Punkte (entspricht 3-4) benotet.
In meiner gesamten Volksschulzeit hatte ich eine solche Note noch nie gesehen. Und gerade jetzt, in einem so wichtigen Zeugnis, taucht zum ersten Mal eine für mich miserable Note auf.
Wegen dieser Note war ich nur der "zweite Sieger" bei dieser Prüfung.
Ich kam gut damit zurecht, wer aber sehr betroffen und auch verärgert war, das war mein Lehrer!
Er konnte es nicht fassen, hatte er doch schon seit langer Zeit, wie sich später herausstellte, mich schon insgeheim als zukünftigen Lehrer gesehen, mich besonders streng behandelt und auch gefordert und gefördert. Er wollte mich auf ein Internat schicken, das war damals die einzige Möglichkeit, eine weiterführende Schule zu besuchen.
Und dann kommt ein Kollege und "haut" mir eine solche Note rein, genau in das Zeugnis, das ich bei der Aufnahmeprüfung in Meersburg vorlegen musste.
Vielleicht hatte "mein" Löwe zu kurze oder zu lange Beine, schielte evtl. oder bereits Zahnlücken. Jedenfalls nicht den richtigen" Gesichtsausdruck", um dem Prüfer zu gefallen.
Er hat wahrscheinlich nicht gewusst, warum ich gerade einen Löwenausbruch darstellen will und nicht einen eingeübten Blumenstrauß, eine perspektivische Darstellung eines Schrankes etc. etc.
Ich war der Einzige, der vom vorgegebenen Muster abgewichen ist.

Hubert (im Anzug vorne) 1950 im Kreise der Klassekameraden bei einem Ausflug.

Kaum hatte ich Kenntnis von der bei Martin aufgetauchten Illustrierten, und gleich kramte ich mein Zeugnis aus, das annähernd 60 Jahre so friedlich in den Akten geschlummert hatte.
So kann es einem ergehen, wenn ein Löwe eine Note gibt!!

Nachwort:
Ich wusste zwar von diesem Ausbruch, aber dass die Folgen so tragisch waren und dass der Vorfall offensichtlich nicht aufgeklärt werden konnte, daran habe ich mich nicht mehr erinnert.
Sicher stand in der Folgezeit noch einiges in den örtlichen Nachrichten, da war ich aber nicht mehr zu Hause. Vielleicht erinnert sich jemand unter den älteren Leuten, ob der Fall wirklich aufgeklärt wurde.

In Zeichnen nur 10 Punkte !

Vielen Dank an Hubert!



Gschichtle 119: "Als Sängerknabe in der Liebfrauenkirche" -von  Günter Kist (1.5.10)
 
 

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