www.eichwaelder.de |
21.07.2006
Acht-Kilometer-Strecke forderte Mensch und Technik alles ab
Heute vor 60 Jahren erstes
Motorsportrennen im Nachkriegsdeutschland auf den Ruhestein
(Ewald Kohler aus Bühlertal gewann sein erstes Rennen !)
Viele ältere Ortenauer werden sich noch genau erinnern: Heute, Freitag, vor 60 Jahren, fand das erste Motorsportrennen im Nachkriegsdeutschland statt. Ausgewählt für das Bergrennen wurde die acht Kilometer lange Strecke von Obertal bei Baiersbronn auf den Ruhestein. Und die verlangte Mensch und Technik damals alles ab.
Von: Hubert Huber
Am 21. Juli 1946, also heute vor genau 60 Jahren, ging ein Traum in
Erfüllung: das erste Motorsportrennen nach dem Zweiten Weltkrieg.
In dessen Verlauf kamen Motorsportveranstaltungen vollständig zum
Erliegen. Umso größer war nach 1945 der Wunsch, an die Renntradition
der Vorkriegszeit anzuknüpfen.
Doch die Requisition von Fahrzeugen durch die Alliierten, der Mangel
an Benzin und Ersatzteilen erschwerten allerdings ganz erheblich die Bemühungen
auch in diesem Bereich langsam wieder normale Verhältnisse zu erreichen.
Der damals sehr bekannte Motorradrennfahrer Kurt Nitschky und andere
Mitstreiter wie die Gebrüder Mall aus Donaueschingen gründeten
am 30. Juni 1946 in Baiersbronn die Süddeutsche Motor-Rennfahrer-Vereinigung
(SMRV).
Noch heute gefährlich
Zusammen mit der französischen Militärregierung wurde nun
begonnen, ein Bergrennen zu organisieren. Als geeignete Strecke wurde die
acht Kilometer lange Straße von Obertal bei Baiersbronn auf den Ruhestein
auserkoren. Diese Bergstrecke ist auch heute noch sehr schnell, kurvenreich
und durchaus gefährlich.
Die leicht ansteigenden Geraden, die unübersichtlichen Rechtskurven
und sechs schwierige Spitzkehren verlangten von den Fahrern ihr ganzes
Können. Kurt Nitschky meinte im Rennbericht: »So oft ich diese
tückische Strecke befahre, immer wieder bringt sie neue Überraschungen.
Die 500 Meter Höhenunterschied haben es in sich.«
Das Rennen war ausgeschrieben für alle Inhaber eines gültigen
Fahrerausweises oder einer Fahrerlizenz von einem der neugegründeten
Rennsport-Vereinigungen aus allen vier Besatzungszonen. Es wurden insgesamt
17 Klassen ausgeschrieben, unterteilt in Ausweis- und Lizenzfahrer.
Die Resonanz war überwältigend: 100 Motorradfahrer und 20
Sportwagenfahrer hatten sich angemeldet. Unter ihnen damals so bekannte
Namen wie Hermann Lang, Alex von Falkenhausen, die Gebrüder Mall,
Mölders bei den Sportwagen und Bodmer, Rührschneck, Nitschky,
Faistenhammer, Haselbeck.
Bei den Rennwagen waren es vor allem BMW, Bugatti und Morgan. Die Fahrzeuge
waren mangels Ersatzteilen mehr schlecht als recht hergerichtet. Bei den
Motorrädern war dieses Problem etwas geringer, da diese den Krieg
anscheinend besser überstanden hatten. Die größte deutsche
Marke war NSU. Aber auch BMW und DKW waren vertreten.
Am Sonntag, 21. Juli 1946, war es dann soweit. 30 000 Zuschauer verfolgten
die erste offizielle Motorsportveranstaltung nach dem Zweiten Weltkrieg.
Alleine in Reutlingen wurden zwölf Lastkraftwagen organisiert, um
die Besucher an die Rennstrecke zu bringen. Um 10.30 Uhr wurde, nachdem
es nachts noch geregnet hatte und morgens Nebel die Sicht versperrte, das
Rennen mit 30 Minuten Verspätung gestartet. Rennleiter war kein Geringerer
als Schorsch Meier.
Die vor dem Krieg bekannte Renngemeinschaft Offenburg nahm mit ihren
drei verbliebenen Mitgliedern an den Wagenrennen teil. Dies waren die Gebrüder
Mall und Heinz Mölders. Rolf Spindler befand sich noch in Kriegsgefangenschaft
und Artur Wiswedel konnte wegen seiner Verwundung nicht mehr an Rennen
teilnehmen.
BMW war nicht fertig
Der von Roland Mall noch vor dem Krieg bei Toni Neumaier, Busenbach,
in Auftrag gegebene Zwei-Liter-BMW war nicht fertig, so musste er auf seinen
alten Morgan umsteigen. In der 1100 ccm Klasse für Lizenzfahrer belegte
er damit den zweiten Platz. Sein Bruder Hans-Georg Mall brachte seinen
BMW Neumaier Spezial für die Lizenzklasse bis 1500 ccm mit. Wenige
Minuten vor dem Start wurde er »fertig«.
Mall schreibt in seinem Rennsporttagebuch: »Der Sechs-
Zylinder lief nur auf fünf Kolben, er besaß keinen originalen
V-Zylinderkopf und keine Rennnockenwelle. Beim Getriebe rutschte stets
der dritte Gang raus und die Verdichtung war zu niedrig.« Trotzdem
reichte es zum zweiten Platz in seiner Klasse.
In derselben Klasse kam einen Platz dahinter der Offenburger MG-Fahrer
Heinz Mölders ins Ziel. Er hatte extra für das Rennen seinen
Wagen mit einer neuen stromliniengünstigen Karosserie versehen lassen.
Doch bereitete das Fahrzeug während des Trainings solche Probleme,
dass er für das Rennen auf seinen erheblich älteren und schwächeren
MG ausweichen musste.
Der Offenburger Waldemar Zipperer startete auf seinem BMW, welcher
von der Firma Basler aus Offenburg eingekleidet worden war. In der ersten
Kurve drehte er sich und verlor 51 Sekunden. Er belegte jedoch noch den
zweiten Platz. Die schnellste Zeit bei den Sport- und Rennwagen jedoch
fuhr der ehemalige Europameister Hermann Lang auf dem berühmten BMW
MM Coupe. Dieses Fahrzeug gewann 1940 die berühmten Mille Miglia.
Im ersten Nachkriegsrennen Deutschlands benötigte er für
die acht Kilometer lange Strecke vier Minuten 57 Sekunden, was einem Schnitt
von 96,969 km/Std. entprach. Die zweitschnellste Zeit fuhr Alex von Falkenhausen.
Schnellster Fahrer des Tages war jedoch der Motorradpilot Josef Faistenhammer
aus Ismaning. Mit seiner 500er Rudge fuhr er die Strecke in einer Zeit
von vier Minuten 52 Sekunden. Mit einem Rückstand von vier Sekunden
kam Kurt Nitschky ins Ziel.
Aber auch bei den Motorrädern waren badische Fahrer erfolgreich.
So fuhren unter anderem der Ottersweierer Walter Sauer und Roland Schnell
aus Karlsruhe in ihren Klassen auf einen zweiten Platz. Ewald Kohler
aus Bühlertal gewann sein allererstes Rennen ebenso wie der bekannte
Hermann Gablenz aus Karlsruhe.
Tod beim Training
Nach vierstündiger Dauer fand das Rennsportereignis sein Ende.
Nicht vergessen werden soll allerdings der Tod von drei Rennteilnehmern.
Bereits einen Tag vor dem Rennen waren beim Training zwei Motorradfahrer
verunglückt. Beim Rennen selbst stürzte nochmals ein Motorradfahrer
und erlitt tödliche Verletzungen.
Obwohl schon Ausschreibungen für eine zweite Auflage in 1947 verschickt
wurden, dürfte dies wohl ein Hauptgrund gewesen sein, weshalb das
Ruhesteinrennen nur ein einziges Mal stattfand. Es bleibt noch zu erwähnen,
dass nach Abrechnung der Kosten, die das Rennen verschlang, noch eine Spende
seitens des SMRV an die Stadt Baiersbronn in Höhe von 10 000 Reichsmark
erfolgte.
Quelle: http://www.baden-online.de/art_0_67_7212_ortenau