Gschichtle von früher
Das Einkaufen als solches ist heute so bequem,
das Angebot an Waren dermaßen vielfältig und auch verlockend
und die entsprechende wöchentliche Papierflut im Briefkasten fast
nicht mehr zu überbieten, so dass es für die Meisten unter uns
sehr schwer ist, sich die Verhältnisse in früheren Jahren auch
nur im Entferntesten vorstellen zu können. Da wir, was das Angebot
betrifft, absolut keinen Grund zum Jammern haben, so jammert man eben heute
gerne über die Preise (ich auch), da gibt es immer genug Gesprächsstoff.
Falls es daran mangeln sollte hier ein paar Anregungen, sich über
das Thema Einkaufen und Besorgungen in geselliger Runde auszutauschen.
Eichwald in den 40ern
Milchholen:
Wo?
Eine "Milch-Ausgabestelle" - in anderen
Orten ein "Milchhäusle" - war im Ortsteil Hof oberhalb der Schule
(Haus oberhalb Wilfried Karcher). Dort konnte man die tägliche Ration
Milch unter Vorlage der entsprechenden Marken (Lebensmittelkarte) holen.
Zuerst zum Begriff "Milch".
Sie sah zwar so aus und hatte - ich erlaube
mir etwas zu übertreiben - einen leichten Blauschimmer so ähnlich
wie heute die als so gesund angepriesene Molke - und wurde in so einer
Art Messbecher mit einem Haken (kann an der großen Kanne eingehängt
werden) in den Größen 1 Liter , 1/2 Liter und 1/4 Liter genau
abgemessen. Die Milch wurde auf dem langen Weg von der Kuh bis in unsere
verbeulte Kanne offensichtlich nicht nur einmal entrahmt. Wie sagt man
so schön: "den Rahm abschöpfen". Wir waren jedenfalls fest davon
überzeugt, dass es anderweitig selbstverständlich Schlagsahne
zum Kuchen gab, während wir mit der "mageren" Magermilch vorlieb nehmen
mussten. Ich habe ein paar Packungen H-Milch mit 3,5% Fett als Vorrat im
Keller und bin vorerst mit Milch versorgt.
Wir hatten, wie auch alle anderen Buben,
ein Milchkanne aus Aluminium, sehr verbeult, aber trendig! Eine neue und
sogar glänzende Kanne war der reinste Horror und man musste sich deswegen
vor den Kameraden schämen. Auf dem schmalen Herrenweg mit den vielen
vorstehenden Mauersteinen und durch gelegentliches "Schlendern" war dieses
Problem bald behoben.
Trendy
Wo noch?
Am Wochenende bekamen wir von unseren Verwandten
auf dem Denni etwas Milch und wir wurden abwechselnd auf diese recht weite
Strecke geschickt. Nichts Besonderes sollte man meinen.
Oh doch! Im Spätjahr, im Winter, es
war dunkel, auf der ganzen Strecke nicht ein einziger Lichtschimmer!!,
keine Straßenlampe, noch nicht einmal der kleinste Lichtstrahl aus
einem Fenster, auf längerer Strecke auch kein Haus und das u.U. bei
Schnee und Glatteis. Das einzige "Lichtlein", das ich hatte, war eine kleine
Petroleumlampe, deren Schein kaum ein paar Meter weit reichte.
Es herrschte absolutes Verdunkelungsgebot,
das streng überwacht wurde. Das Wort Angst kannte ich nicht, allerdings
die Ängste, die man heute um die Kinder haben muss, waren völlig
unbekannt und die Eltern machten sich in dieser Hinsicht keine Sorgen.
Kartoffeln:
Gelegentlich bekam die Gemeinde Bühlertal
eine Lieferung Kartoffeln, die nun gemäß der Lebensmittelkarten
aufs Kilogramm genau an die Bevölkerung verteilt werden konnte. Der
LKW lud die ganze Ladung im Hof des "Stierstalls" ab. Dieses Gebäude
war hinter der Linde (Kino) und der heutigen Apotheke.
Mit einem Leiterwägelchen standen wir
nun in einer langen Schlange an, bis wir endlich unsere Zuteilung bekamen.
Es war viel zu wenig, aber immer noch besser als gar nichts!
Blick zum Stierstall bei der Linde
Holzsuchen:
Man musste mit seinem Leiterwagen immer
größere Strecken zurücklegen, um im Wald noch ein bisschen
Holz zu finden. Auflesen durfte man nur dünnes Holz (Bengel) und Reisig,
keinesfalls, was einem Scheit hätte ähnlich sein können.
Hat man aber doch einmal ein etwas dickeres Stück gefunden, so wurde
es unter dem Reisig versteckt, wollten wir uns doch nicht bestrafen lassen.
Ein kleines Erlebnis, das ich nie vergessen
werde:
Auf dem Henkerweg begegnete uns ein LKW.
Er hielt an. Der Fahrer war offensichtlich ein Bekannter von Walter. Nachdem
er das Fenster heruntergekurbelt hatte reichte er meinem Bruder Walter
ein Stück Speck !!! herunter. Wir waren sprachlos, ein Wunder!
Man möge einmal versuchen, sich die
Not in den Nachkriegsjahren vorzustellen.
Walter
Brotzuteilung:
Das Brot gab es, wie auch alles andere,
nur auf "Marken".
Die zugeteilte Menge war zu wenig zum Leben
und zuviel zum Sterben.
Nicht nur zu wenig, auch noch aus purem
Maismehl, schön gelb, aber bitter und teigig. Man war froh überhaupt
etwas zu bekommen.
Auch hier wieder ein ganz besondere Erinnerung:
Ich wurde zu s Schmidtbecke (Haabergstrasse)
geschickt, um unsere Zuteilung zu holen.
S´Schmidtbecke in der Haabergstraße in den 20ern
vorn von links: Lina Schmidt und Eugen oder
Albert Schmidt (Geschwister)
Der rechte Mann ist unbekannt.
hinten auf der Treppe: Anton Schmidt (1870
- 1927), Großvater von Karl-Heinz Schmidt
Ich beschreibe mich mal so, wie mich die
Bäckersfrau wahrgenommen hat:
Nur noch Haut und Knochen - bitte nicht
mit Magersucht verwechseln!! - In diesem Zusammenhang noch ein vielgebrauchter
Spruch meiner Mutter: "Wenn wir nur noch das `Gestell` erhalten, bis es
wieder besser wird!" Das klingt makaber, war aber bittere Realität.
Ich zeige noch heute bei entsprechendem Thema den "Umfang" meiner Oberarme.
Erschreckend!
Zurück zu Frau Schmid. Sie hatte offensichtlich
mit dem halbverhungerten Bub Mitleid und gab mir, das nicht nur einmal,
mehr Brot mit als uns zustand. Auch so etwas sollte man nicht vergessen
und ich bin froh, dass ich das niederschreiben kann.
In der Bäckerei Schmidt am Haaberg: Klara Schmidt und Verkäuferin
Anneliese in den 60ern
Mein Bruder Lothar wurde eines Tages von
einem kleinen Transportfahrzeug der französischen Besatzungsmacht
überholt und ein Laib noch ungebackenes Brot fiel von der Pritsche
auf die Strasse, direkt vor seine Füße. Er nahm den Laib natürlich
sofort an sich und brachte ihn freudestrahlend nach Hause. Das Haus duftete
bald nach frischgebackenen Brot, feiner als alle Wohlgerüche des Orients.
Hubert
Fisch:
Hier handelt es sich nicht um eine offizielle
Zuteilung, sondern um einen "Sonderposten", ich nenne das mal so, weil
uns damals schon unklar war, wie dieses "Wunder" überhaupt geschehen
konnte.
Ihr wundert euch sicher über meine
Darstellung, sie ist noch viel zu einfach bei der Dramatik, die heute niemand
mehr verstehen kann.
Das kleine Geschäft Ihle (den Namen
eben tel. von Lothar erfahren) befand sich auf der linken Straßenseite
ausgangs Schönbüch hinauf zum Buchkopf.
Rechts das Haus Ihle heute
Hier gab es wohl früher Fisch
24.11.09 ergänzt:
Berta Ihle (in der Mitte) vor ihrem Laden früher (vielen Dank
an Anja Kunzmann)
Wir erfuhren von einer "Fischlieferung"
und Bruno und ich machten uns schleunigst auf den Weg, geradewegs am heutigen
Parkplatz entlang senkrecht den Wald hinauf und kamen zum Lebensmittellädchen
Ihle. Das Fass mit den Fischchen, klein wie Ölsardinen, stand hinter
dem Haus im Hof und wir bekamen tatsächlich eine ganze Kanne voll
eingeschöpft. Kein Kännchen wie für die Milch, sondern eine
rote 5 L i t e r Kanne !! Unglaublich.
Als wir heimkamen fielen alle über
diese Fischchen in einer Salzlauge her und im Nu war die Kanne leer!
Wasser aus dem Wasserhahn für unseren Durst war genügend vorhanden.
Noch am selben Nachmittag ein erneuter Versuch, und wieder wurde uns die
große Kanne bis zum Rand gefüllt. Noch ein weiteres Mal bekamen
wir solche Fische, die man einfach in die Hand nahm und bis auf die Gräten,
die Schwanzflosse und den Kopf abnagte.
Mit Geld, aber ohne Landwirtschaft, ohne
Schnaps, ohne andere Tauschobjekte konnte man kaum überleben. Selbst
die simpelsten kleinen Feuersteine für die aufkommenden Feuerzeuge
waren mehr wert als Geld.
Noch eine ganz persönliche Sache, die
es aber wert ist zu schreiben:
Mein Vater war ernsthaft und hat nie leichtfertig
irgendetwas dahergeredet. Aber diesen Satz hat er auch noch Jahre später
immer wieder gesagt:
"Diese Fische haben mir das Leben gerettet!!"
Liebe Eichwälder, liebe Leser, ich scheue
mich nicht, auch ganz persönliche Erfahrungen niederzuschreiben. Vielleicht
könnte dieser Ausspruch dazu beitragen, mit dem Leben, wie es sich
heute darstellt, zufriedener zu sein.
Vielen Dank an Hubert !