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Bühl/Bühlertal - Die Region zeigt Flagge: Aus den Rathäusern und an publikumsträchtigen Plätzen in Bühl und Bühlertal wehen die englischen Banner. Und schon werden erste Fälle von "Fahnenflucht" aktenkundig. Vermutlich aus Enttäuschung über die rigorose Amputation des Kartenkontingents für ein Schautraining haben Unbekannte auf dem Bußmattenkreisel eine englische Fahne gestohlen, eine weitere am Jägerkreisel auf halbmast gesetzt.
Ein Trauerspiel fürwahr, derweil Niederländer, Brasilianer oder die Männer aus Togo in ihren WM-Vorbereitungscamps Fußball zum Anfassen bieten und Freude pur vermitteln. Jüngster Höhepunkt dieser Farce der Marke Absurdistan: Der Webmaster von www eichwaelder.de wurde am Sonntagmittag telefonisch angewiesen, sämtliche Bilder, die im Zusammenhang mit dem Trainingsquartier der Engländer im Mittelbergstadion stehen, von der Homepage zu nehmen; darunter so hoch brisante, weil sicherheitsrelevante Aufnahmen wie vom Verlegen des Rollrasens oder der Reinigung der Tartanbahn. Der Bildautor hatte die Anweisung vom englischen Verband über die private Objektschutzfirma erhalten und dem Webmaster weitergegeben. "Fragt mich nicht, warum", lässt Martin Weck seine Internet-Besucher wissen. Der "Eichwälder" nahm die Fotos umgehend vom Netz; aber auch nur deshalb, weil er die Fotos nicht selbst geschossen hatte und somit keine eigenen Rechte besaß. Er weiß nur eins: "Das ist alles sehr, sehr merkwürdig."
Seit gestern ist der Vergleich zwischen dem Bühlertäler Sportzentrum und einem Hochsicherheitstrakt wie Stammheim nicht mehr gänzlich abwegig. Selbst Printjournalisten und Fernsehteams bleiben inzwischen ausgesperrt, obwohl sie in einem Land mit einer im Grundgesetz verankerten Pressefreiheit nur eines wollen: ihrer Arbeit nachgehen. Vor allem die englischen Reporter, die eigens von der Insel eingeflogen sind, um den Fans zuhause einen Eindruck zu vermitteln, in welchem Umfeld sich ihre Lieblinge für den angestrebten WM-Titel fit machen, reagieren den privaten Sicherungskräften gegenüber schon mal verbal deftig und ungehalten.
Die "Stuttgarter Nachrichten" hämen derweil: "David Beckham und seine Helfer schotten sich ab, als müssten sie den Thronschatz der Queen verteidigen". Ja, selbst Bürgermeister Michael Stockenberger muss mittlerweile einen "begründeten Anlass" vorweisen können, um ins gemeindeeigene Stadion vorgelassen zu werden. Rechtlich ist dagegen nichts einzuwenden: Das Hausrecht ist an die FIFA abgetreten, die dieses wiederum an den englischen Verband Football Association (FA) übertragen hat. Und dieser hat - sehr zum Bedauern des Bürgermeisters - das Hausrecht "sehr weit ausgereizt".
Ungeachtet des fast schon hysterisch geschürten Gefahrenpotenzials werde sich die Gemeinde gleichwohl als guter und freundschaftlicher Gastgeber präsentieren. Viele Bühlertäler und Bühler hegen gleichwohl ihre Zweifel, "ob sich die Gäste auch als solche benehmen". Immer öfter wird der Auftritt englischer Funktionäre mit dem Verhalten von "Besatzern" und "Kolonialherren" verglichen.
Jürgen Stopper ist Vorsitzender des SV Bühlertal. Der Verein ist der Leidtragende (und letztlich der große Verlierer). Zu den beiden letzten Heimspielen musste der damalige Bezirksliga-Tabellenführer ins Bühler Jahnstadion ausweichen. Sie wurden prompt verloren. Jetzt ist ein Aufstieg nur noch über eine Relegation möglich. Mehr noch schmerzt den Vorsitzenden das Verhalten der Engländer, von denen er als Anerkennung für die umfangreiche Organisationsarbeit, aber auch aufgrund der Nachteile für den Verein zumindest eine Geste des Entgegenkommens erwartet hätte. Stopper ist "enttäuscht, weil sie schon lange und nicht erst seit gestern von der Einladung 700 Bühlertäler Schüler wussten", die sie indirekt nun ausgeladen haben. Das kümmerliche Kartenkontingent von 250 Tickets will Stopper unter der SVB-Jugend und den drei Seniorenmannschaften verteilen, obwohl man aus Solidarität mit den Schulen auch einen Boykott erwogen habe. Man habe sich anders entschieden, damit wenigstens der eigene Nachwuchs ein bisschen WM-Luft schnuppern dürfe.
Das Kontingent für die Stadt Bühl,
dessen Oberbürgermeister Hans Striebel den England-Aufenthalt auf
Bühlerhöhe (Gemarkung Bühl) erst ermöglicht hat, ist
auf null abgeschmolzen. Jürgen Stopper geht hierfür jegliches
Verständnis ab: "Das ist kein guter Stil!"
Wenn schon der neue Stadion-Rasen kräftig
sprießt, dann muss auch für das Mediendorf eine grüne Lunge
her. (Foto: Hammes/Margull)