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Schwarzwaldhochstraße - Der Mummelsee, nicht gerade arm an Sagen über Nixen, Zwerge und Könige, ist nach Insolvenz-Turbulenzen wieder in der Welt der Realitäten angekommen: Bärbel Müller (29) hat den Betrieb von ihrem Vater Roland Dieterle übernommen. Die operativen Geschäfte vor Ort führt ihr Ehemann Karl-Heinz Müller (35). Er ist nahezu täglich im Berghotel präsent. Die touristische "Standortgunst" mit See und am Fuße der Hornisgrinde soll sich verstärkt in den Bilanzen widerspiegeln.
Für das Mummelsee-Hotel, in 1036 Metern Meereshöhe gelegen, war die Luft zu Jahresbeginn dünn geworden, nachdem auch für die badischen Betriebe der Dieterle-Gruppe ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet wurde. Bereits im vergangenen Herbst standen die Betriebe in Straßburg unter Insolvenzverwaltung.
Das europäische Insolvenzrecht sorgte dafür, dass die Liquiditätsprobleme über den Rhein auf die Schwarzwaldhöhen schwappten. "Dabei war und ist der Mummelsee ein kerngesunder Betrieb", lässt Müller keine Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Hotels aufkommen. Um die gastronomische Familientradition zu bewahren, erwarb Bärbel Müller Anlage- und Umlaufvermögen des von der Waldgenossenschaft Seebach gepachteten Objekts. Diese Summe floss auf das von der Rottweiler Anwaltskanzlei Hirt + Teufel verwalteten Insolvenzkonto, aus dem wiederum Gläubiger-Forderungen befriedigt wurden.
Eine familiäre Lösung gab es auch für die Gastronomiebetriebe beim Freilichtmuseum Vogtsbauernhöfe in Gutach. Diese übernahm Anja Gaupp (36), die älteste von drei Dieterle-Töchtern. Der dortige "Landgasthof zum Museum" ist in ihrem Eigentum und der "Hofengel" vom Ortenaukreis angemietet. Die Betriebsübergabe an die Töchter entsprach ohnehin den Nachfolge-Plänen von Roland und Anita Dieterle, sie wurden durch die Insolvenz lediglich zeitlich beschleunigt.
Vom Insolvenzverwalter vorläufig weitergeführt wird ein Souvenirladen am Titisee. An eine Weiterführung in der Dieterle-Familie ist nicht gedacht.
Roland Dieterle, der als Einzelkaufmann alleinhaftend für sämtliche deutsche und elsässische Gastronomiebetriebe ist, hat sich inzwischen von zwei seiner typischen und urgemütlichen Straßburger Weinstuben getrennt: dem "Münsterspatz" und dem "Au Canon". Letztere wurde bei einem Brandanschlag im Jahr 2000 völlig zerstört. Jetzt entsteht in dem historischen Gebäude, in dem einst die berühmte Straßburger Brauerei Kronenburg gegründet wurde, ein Biermuseum.
Hintergrund
Als Roland Dieterle, der aus Hausach stammt
und in Bühlertal eine dreijährige Uhrmacherausbildung absolvierte,
1979 über den Rhein setzte, gab es in Straßburg 700 Restaurants,
aber keinen einzigen Wirt deutscher Nationalität. Viele französische
Kollegen sahen seine grenzüberschreitenden Aktivitäten als eine
Provokation.
Sein größter Coup gelang ihm 1989, als er dem Fast-Food-Giganten McDonalds das zur Disposition stehende Traditionshaus "Le Gruber" wegschnappte. Es wird derzeit noch von Dieterle geführt, obwohl - wie er sagt - "nicht klar ist, in welche Richtung es geht". Am liebsten sähe er es, wenn ein langjähriger französischer Freund miteinsteigen würde. Eine solche Lösung böte sich auch für ein weiteres Dieterle-Lokal, das "Au vieux Strasbourg" an.
Die Ursache für den wirtschaftlichen Kollaps datiert aus den 90er Jahren. Damals kaufte Roland Dieterle in Rastatt zwei große Immobilien mit 30 Wohnungen. Die Rendite blieb gleichwohl weit hinter den Erwartungen zurück. Im Gegenteil: In den Folgejahren mussten permanent hohe Summen nachgeschossen werden. Eine vertraglich zugesagte Rückkaufgarantie nach fünf Jahren durch den Makler blieb Makulatur: Dieser war inzwischen selbst insolvent. Dieterle musste weiterhin gutes Geld in eine schlechte Geldanlage pumpen: "Das hat unseren Betrieben die Liquidität entzogen", benennt er das Übel. Heute weiß er aus leidvoller Erfahrung: "Man sollte nie in branchenfremde Bereiche investieren." Im Frühjahr 2007 konnte er die Rastatter Wohnblocks verkaufen - unter Wert zwar, aber immerhin.
"Abhaken und nach vorne schauen", sagt sich Dieterle. Seine Miene hellt sich auch schon wieder auf, wenn er erzählt, wie die Seebacher Waldgenossenschaft hinter ihm und seiner Familie gestanden habe: "Für sie waren wir auch nach Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens stets erste Ansprechpartner." Immerhin bestehe die Partnerschaft seit genau 30 Jahren. Die "vertrauensvolle Zusammenarbeit" habe sich auch in den nicht ganz einfachen Wochen zu Jahresbeginn bewährt.
Schwiegersohn Karl-Heinz Müller hat denn auch bereits ehrgeizige Pläne für das Mummelsee-Hotel. Der Kinzigtäler will das Haus stärker als bisher Wanderern, Freizeitsportlern und Familien öffnen. Also wird demnächst ein Spielplatz gebaut. Müller ist Diplom-Betriebswirt. Keine schlechten Voraussetzungen für eine wirtschaftlich rosige Zukunft des Mummelsee-Hotels. Mit und ohne Nixen.
Postkarten vom Mummelsee:
Karte 125,
Karte
145. Karte 191, Karte
193, Karte 328, Karte
334, Karte 340, Karte
371,
Karte 406